Gefährliche Stille
drauf
ansetzen, mal sehen, was die rausfinden. Sie sind alle älter als der Herrgott
selbst, also stehen die Chancen nicht schlecht, dass jemand sich an Ihre
Verwandten erinnert. Ich selbst kann Ihnen da leider nicht weiterhelfen; ich
lebe erst ein paar Jahre hier, wie die meisten Mitglieder unseres Stammesrats.«
»Ich dachte, das hier ist das
Stammesland der Modocs?«
»Ist es auch, aber... Sie wissen wohl
nicht viel von unserer Geschichte.«
Ich schüttelte den Kopf und wartete.
»Tja, wir waren nie ein Stamm im
üblichen Sinn, nur einzelne kleine Gruppen, die auf denselben paar tausend
Quadratmeilen herumzogen und jagten. Gerade mal achthundert Leute, alles in
allem, als der Weiße Mann kam. Die Weißen machten uns das Jagen schwer,
vergraulten das Wild. Also massakrierten wir ein paar von ihnen, und sie
massakrierten ein paar von uns. Die Art Streit, wo am Ende keiner mehr weiß,
wer angefangen hat. Schließlich schlossen wir 1864 einen Vertrag mit ihnen, der
zur Folge hatte, dass wir in ein Klamath-Reservat oben in Oregon umgesiedelt
wurden. Schon mal vom Modoc-Krieg gehört?«
»Nein«, sagte ich.
»Ja«, sagte Hy.
Jordan Stump tadelte mich mit erhobenem
Zeigefinger. »Und er ist nicht mal Indianer.«
»Er hat wahrscheinlich in kalifornischer
Geschichte besser aufgepasst als ich.«
»Na ja, die Bedingungen da oben im
Klamath-Reservat waren miserabel. Ein Modoc-Führer, Captain Jack genannt — mit
richtigem Namen Kientepoos — , rebellierte und führte zweimal einen Zug von gut
dreihundert Leuten zurück an den Lost River, drüben beim Tule Lake. Beim
zweiten Mal, im April 1870, ging alles gut, und sie blieben etwa zwei Jahre
dort, bis die Regierung Truppen schickte, die sie zwingen sollten, nach Klamath
zurückzukehren. Waren Sie je im Lava-Beds-Naturpark?«
»Nein«, sagte ich.
»Einmal«, sagte Hy.
»Fahren Sie noch mal hin, und nehmen
Sie sie mit. Sie muss dringend ein bisschen was lernen. Die Lavafelder waren
der Schauplatz des Modoc-Kriegs. Unsere Leute kannten sich dort aus, konnten
durch die Spalten und Risse schlüpfen, sich in den Höhlen und Gängen
verstecken. Dort am Südende des Tule Lake ist ein großes Felsloch, Captain Jack’s
Festung genannt, das war ihr Basislager. Die Regierungssoldaten hatten in
diesem Gelände keine Chance.«
Hy sagte: »Ein teurer Krieg, was?«
Jordan Stump nickte. »Teuer für die
Regierung, in Geld wie in Menschenleben. Und noch teurer für uns, weil wir
damals alles verloren haben. Wir konnten ihnen zwar standhalten, aber es gab
Uneinigkeit in den eigenen Reihen. Als die Regierung Friedensverhandlungen
anbot, setzte eine Gruppe militanter Modocs Captain Jack so lange unter Druck,
bis er sich damit einverstanden erklärte, dass die weißen Unterhändler getötet
werden sollten, wenn sie nicht auf die Forderungen der Modocs eingingen. Und
genau das passierte dann auch. Diese Morde waren für uns der Anfang vom Ende.
Captain Jack und drei weitere Anführer wurden abgeurteilt und gehängt, und die
verbliebenen hundertunddreiundfünfzig Modocs wurden ins Oklahoma-Territorium
verfrachtet, in Viehwaggons. Dort bin ich geboren und aufgewachsen — in Ottawa
County, Oklahoma.
Ich sagte: »Aber jetzt sind Sie hier.
Warum?«
»Schauen Sie sich an, dann können Sie
sich diese Frage selbst beantworten. Sie sind noch relativ jung, aber trotzdem
schon auf der Suche nach Ihren Wurzeln. Dieser Drang wird mit zunehmendem Alter
noch stärker. Ich war dreiundsechzig, als ich von diesem Stammesrat hörte. Er
wurde von ein paar jungen Modocs gegründet, deren Großeltern ins
Klamath-Reservat zurückgekehrt waren, als die Regierung das 1909 endlich
gestattete. Heute sind die jungen Leute daran interessiert, etwas über die
alten Sitten und Gebräuche zu erfahren und sie zu bewahren, anders als zu
meiner Zeit, als wir alle weiß sein wollten. Sie beschlossen, wieder auf das Land
ihrer Vorfahren zurückzukehren, den Stamm wieder zu einen. Und sie wollten
Ältere dabeihaben, die noch was von der Geschichte wussten.«
»Und jetzt ist da, wie ich gehört habe,
ein Bauunternehmer, der den Modocs den Zugang zu ihren heiligen Stätten am Spirit
Lake verwehren will«, sagte ich.
»Hat Ihnen Jimmy D. davon erzählt?«
»Ja. Er sagt, Sie prozessieren um das
Eigentumsrecht an dem Gelände. Wer finanziert den Prozess?«
»Das weiß keiner außer Jimmy D., und
der will es nicht sagen.«
»Warum nicht?«
»Er behauptet, das sei eine Bedingung
dafür, dass diese Leute uns
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