Gefaehrliche Tiefen
ihr plötzlich bewusst, was er gesagt hatte. »Haie?«
»Vielleicht haben wir Glück und sehen einen schönen groÃen Hammerhai.«
Einen schönen groÃen Hammerhai? Widerwillig zog sie ihre Ausrüstung und ihre Flossen an, schob sich das Mundstück zwischen die Lippen und atmete einmal flach die metallisch schmeckende Luft ein.
Dan befestigte einen kleinen Computer mit schwarzer Schnur an seinem linken Handgelenk und tastete sich dann von oben bis unten ab, um seine Ausrüstung zu überprüfen. »Los gehtâs.« Er richtete den Blick auf die Kajüte des Boots. »Ricardo?«
Ein dunkelhäutiger Mann in Khakishorts und einem grünen T-Shirt tauchte in der Kajütentür auf. Zwischen den schwieligen Fingern hielt er eine rote Coladose, die Sonnenbrille hatte er nach oben auf den Kopf geschoben.
»Wir gehen jetzt runter.«
Ricardos Blick blieb an dem Flicken auf Dans Taucheranzug hängen. »Sie haben einen Riss? Ich habe Kleber. Ich kann ihn reparieren.« Er trat auf Dan zu und zog an einer der vorstehenden Ecken. Unter dem Flicken kam ein Teil eines runden NPF -Logos zum Vorschein.
»Nicht nötig.« Rasch strich Dan den Flicken wieder glatt.
»N-P-F?« Ricardo sprach die Buchstaben spanisch aus,
Enne-Pe-Effe
.
Dan zuckte mit den Schultern. »Von denen habe ich den Anzug. Ich bin Universitätsprofessor.«
Ricardo runzelte die Stirn. »
Pero
⦠aber NPF â¦Â«
»Könnten Sie Sam ihre Kamera reichen?«, unterbrach ihn Dan. »Wir dürften knapp eine Stunde unten sein. Sie können mit dem Boot an Ort und Stelle bleiben. Wir drehen unten einige Runden und kommen dann hier wieder hoch.«
Ricardo nickte und zog die Sonnenbrille herunter, sodass seine Augen nicht mehr zu sehen waren. Sam erkannte die verspiegelte Brille sofort als eine Marke, für die sich Gangmitglieder in den Städten der USA notfalls gegenseitig umbrachten â PCB . Mit PCB war ein angesagter Designer gemeint, nicht der Schadstoff, den die Umweltschutzbehörde regelmäÃig bei Altlastsanierungen entdeckte, aber der Anklang an Gift schien der Gangsta-Szene durchaus zu gefallen. Hier allerdings wirkte die Brille einfach nur fehl am Platz.
Es war zu riskant, mit der teuren Kamera in der Hand ins Wasser zu springen, doch auf diesem kleinen Boot gab es keine Schwimmplattform, von der sie sich langsam hätte ins Wasser gleiten lassen können. Sam klappte die Scheinwerfer auf der Kamera ein und reichte sie Ricardo.
»Also los.« Dan schob sein Mundstück zurecht, zog seine Maske herunter und lieà sich rücklings mit dem Kopf voran ins Wasser fallen.
Nach einem letzten sehnsüchtigen Blick auf die sonnige Umgebung zog Sam den Riemen ihrer Maske über ihren Zopf, drückte Mundstück und Maske gegen das Gesicht und tat es ihrem Kollegen gleich. Das jadegrüne Wasser schlug über ihr zusammen. Sie stieà durch die Oberfläche, um Ricardo die Kamera aus den ausgestreckten Händen zu nehmen, dann atmete sie aus und sank in die fremde Welt hinab.
Ein Schwarm silberner Jungfische, der bei ihrem plötzlichen Eintauchen auseinandergestoben war, sammelte sich in einem Wirbel um sie herum. Helle Sonnenstrahlen bahnten sich ihren Weg ins Wasser hinunter und lieÃen die perlmuttfarben schimmernden Schuppen der kleinen Fische aufleuchten.
Wunderschön.
Sam atmete ein. Die Luft aus der Druckluftflasche schmeckte gar nicht mal so schlecht, war allerdings trocken wie die Wüste. Was ihr mehr zu schaffen machte, war ihr Atemgeräusch, das um ein Vielfaches lauter klang â wie bei einem Beatmungsgerät. Vor ihrem geistigen Auge tauchte ein altes Bild aus ihrer Kindheit auf.
Schläuche und Kabel und eine Pumpe, die für eine Frau die Atmung übernahmen, die mehr Maschine als Mutter war
. Energisch schob Sam die gefürchtete Erinnerung an das Krankenhaus beiseite. Sie war weder ihre Mutter noch das neunjährige Mädchen, das ihr beim Sterben zusah, sondern siebenunddreiÃig, eine starke Frau, die gerade ein spannendes Abenteuer erlebte.
Erste Tauchregel: Atme langsam und gleichmäÃig.
Sam versuchte, sich zu entspannen und diese Regel zu befolgen. Während sie tiefer hinabtauchte, weg von der glitzernden Oberfläche, kniff sie sich in die Nase und blies Luft in ihre Nasennebenhöhlen, um den Druck in ihren Ohren auszugleichen. Ihr Computerdisplay zeigte an, dass sie sich
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