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Gefaehrliche Versuchung

Gefaehrliche Versuchung

Titel: Gefaehrliche Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eileen Dreyer
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würde. Wenn sie sich ins Gedächtnis rufen könnte, wie es einmal gewesen war. Dieses ungeduldige Gefühl des Verlangens, der Erwartungen, der Angst. Dieses atemlose Erstaunen, wenn Finger sich berührten, wenn eine raue, starke Hand langsam über die Haut strich, von der Schulter zum Bauch und zum Schenkel und auf ihrem Weg alles in Flammen setzte. Die Verwunderung, wenn Blicke sich trafen, wenn Augen, die dunkel vor Lust und schwer vor Begierde waren, einander fixierten. Die freudige Erregung über all die Möglichkeiten, die nur aus vollkommenem Vertrauen erwuchsen.
    Hatte es sich wirklich so angefühlt? War sie sich so sicher gewesen, dass es einfach weitergehen würde? Mittlerweile konnte sie sich nicht mehr daran erinnern. Sie erinnerte sich nur an die gezackten Lichtblitze, die ihren Körper zum Leben erweckt hatten. An die Art, wie ihre Brustspitzen sich aufgerichtet hatten und wie ihr Blut langsamer geflossen war, bis sie den Widerhall als tiefes Pochen in ihren Ohren gehört hatte. Sie erinnerte sich, dass Harry sie angesehen hatte, als wäre sie sein persönlicher Schatz. Wie er sie ohne ein Wort verführte. Ohne ein Versprechen.
    Doch vor allem erinnerte sie sich an das Gefühl losgelöster Heiterkeit und der Gewissheit, dass Harry immer da sein würde, um sie aufzufangen. Dass er ihre Träume, ihre Geheimnisse, ihre Erkenntnisse für sie bewahren würde – sicher verwahrt wie in der schmuddeligen Blechbüchse eines Kindes, in der Knöpfe, Federn und glitzernde Steine, die es am Strand gefunden hatte, wie Schätze versteckt wurden.
    Mit ihm an ihrer Seite, mit seinem Schutz, hatte sie angefangen zu glauben, dass sie mehr als nur das unglückliche Kind sein könnte, das die beliebteste Frau in der Grafschaft umgebracht hatte. Sie hatte angefangen zu glauben, dass ihr Vater sich irrte und dass sie mehr verdiente als Isolation und Schweigen.
    Unweigerlich schlüpfte diese letzte Erinnerung hindurch, um sie zu verhöhnen, um alles zu zerstören. Ihr letzter Tag mit Harry in der Schlucht. Sie war außer sich und unsicher gewesen, hatte ihn angefleht, ihr zu glauben. Sie zu retten. Und sie war sich sicher gewesen, dass alles gut werden würde, denn Harry hatte es ja versprochen. Selbst wenn er nicht mit ihr geschlafen hatte, würde er doch zu ihr stehen und um sie kämpfen.
    Aber als sie später in der Nacht in den mondbeschienenen Garten geschlichen war, hatte statt Harry ihr Vater auf sie gewartet. »Ich glaube, ich wusste, dass du dich so entwickeln und eines Tages an diesen Punkt kommen würdest«, hatte er gesagt, und seine traurigen Augen hatten noch trauriger gewirkt. »Doch musstest du unbedingt einen ehrenwerten Jungen mit hineinziehen?«
    Ungeduldig riss sie sich aus den Grübeleien. Es brachte nichts. Erinnerungen waren keine Lösung. Sie fühlte sich danach nur zittrig und kalt. Sie musste hier raus.
    Sie zog ihre Hand zurück. Dieses Mal gelang es ihr, sie aus Harrys Griff zu lösen. Eilig sprang sie auf und rannte zur Tür.
    Aber es war zu spät. Sie kämpfte noch mit dem Türknauf, als sie seine Stimme hörte, die verwirrt und schlaftrunken klang. »Kate?«
    »Schlaf weiter, Harry«, sagte sie, ohne sich umzudrehen. »Es ist alles in Ordnung.«
    »Was, zur Hölle, machst du hier?«
    »Ich gehe.«
    »Kate«, sagte er und versuchte, sich aus der Decke zu befreien, »warte.«
    Sie hörte nicht auf ihn.
    Harry war verwirrt. Seine Brust stand in Flammen, und sein Kopf schmerzte. Er hätte schwören können, dass er noch immer den Beschuss durch die Kanonen hörte. Seltsamerweise hatte er die merkwürdige Erinnerung daran, dass Kate ihn gedrängt hatte, mit seinen Männern, mit der Vorhut weiterzulaufen. Die Kanonenschüsse waren leicht zu erklären: Seit Waterloo hörte er sie jede Nacht. Kate zu hören, das war schon problematischer.
    »Halt!«, brüllte er und rollte vom Bett.
    Er dachte nicht einmal daran, sich die Decke umzulegen. Er hatte das Gefühl, dass er Kate jetzt nicht gehen lassen durfte. Als sie gerade die Tür aufmachen wollte, stieß er sie wieder zu.
    »Kate«, sagte er und packte sie am Arm.
    Er bemerkte, wie sie sich instinktiv duckte und die freie Hand hob. Abrupt hielt er inne.
    »Kate.« Er achtete darauf, dass sie die Wut in seiner Stimme nicht hörte. Er wollte nicht, dass sie glaubte, die Wut würde sich gegen sie richten. »Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht erschrecken. Ich wollte nur wissen, was du hier tust.«
    Sie sah ihn nicht an. »Du hattest einen bösen Traum.

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