Gefaehrliche Versuchung
können, dann hätte ich die Stühle abgedeckt.«
Chuffy grinste wie ein Kind. »Tut uns leid, dass wir so hereinplatzen«, keuchte er und wischte sich die Hände mit seinem Taschentuch trocken. »Drakes Idee. Meinte, ihr würdet helfen wollen.«
»Erklärt mir, wobei ihr Hilfe braucht«, sagte Harry und führte Kate zum Sofa. »Und dann werden wir sagen, ob wir helfen wollen.«
»Sei nicht albern, Harry«, sagte sie und strich sich das Kleid glatt. »Ich will unbedingt helfen. Finney!«, rief sie, auch wenn niemand mehr vor der Tür zu stehen schien. »Den guten Whisky, bitte!«
Es erklang keine Antwort. Aber als die Männer Platz genommen hatten, reichte Finney ihnen gefüllte Gläser. Das letzte Glas gab er Kate.
»Es geht um Diccan«, sagte Drake und beugte sich vor. »Er wird zurzeit noch auf dem Land festgehalten.«
»Er zieht hier nicht ein«, protestierte Harry. »Wir haben schon seine Frau hier.«
Kate tätschelte sacht sein Bein. »Ruhig, Harry.«
Drake wies auf die Boxen, die im Raum standen. »Das sind die Sachen seines Vaters aus Slough. Da Diccan verhindert ist und nicht herkommen kann, um alles selbst zu durchsuchen, haben wir gehofft, dass du helfen könntest, Kate. Wir haben schon einen flüchtigen Blick in die Kisten geworfen, aber wir konnten nichts Außergewöhnliches entdecken.« Er zuckte mit den Schultern. »Doch wir wissen nicht, was für Lord Evelyn das Gewöhnliche war.«
Harry hätte beinahe laut aufgestöhnt. »Warum habt ihr die Kisten nicht einfach in deine Jagdhütte gebracht? Dann hätten wir sie uns dort ansehen können.«
Jetzt würde er Kate niemals an einen sicheren Ort bringen können.
Drake schüttelte den Kopf. »Diccan ist schon im Landesinneren. Ihr müsst hierbleiben, bis ihr die Sachen durchgesehen habt. Wir besorgen Hilfe.«
Augenblicklich hatte Kate ihren Whisky vergessen und stand auf. »Ach, großartig. Das wird einfach. Vor allem weil ich sonst nichts zu tun habe.«
»Du meinst, nicht einmal in zwei Tagen nach Eastcourt zu reisen?«, fragte Harry.
»Ach, komm«, erwiderte sie, den Blick auf die Kisten gerichtet, das Herz offenbar voller Heimweh, »bis dahin bin ich längst fertig. Mein Onkel war ein sehr ordentlicher, methodischer Mensch. Das wird Spaß machen!«
Selbstverständlich irrte sie sich. Es war ein Albtraum.
Kapitel 16
Die meisten Dinge, die Kate herausfand, überraschten sie nicht sonderlich. Onkel Hilliard war sehr systematisch, pedantisch und fürchterlich langweilig gewesen. Auch seine Predigten – besonders seine Predigten, die er nach Lesungen, Feiertagen und bestimmten moralischen Verfehlungen sortiert und katalogisiert hatte. Der Titel ihrer Lieblingspredigt lautete: Die Strafe für die Gier an Weihnachten.
Harry war, wie auch Grace und Bea, eine große Hilfe. Sie packten die Kisten aus, sortierten den Inhalt und bildeten verschiedene Stapel: Predigten, Rechnungen, kirchliche Korrespondenz und weltliche Korrespondenz. Und das meiste davon war genauso langweilig wie seine Predigten. Aber als sie gerade mit dem Zeigefinger eine Liste mit Büromaterialien durchging, die Onkel Hilliard bestellt hatte, hörte sie, wie Grace aufkeuchte.
»Hast du den Vers gefunden?«, fragte Kate voller Hoffnung. Mühsam richtete sie sich auf. Ihr ohnehin schon wunder Körper schmerzte noch mehr, weil sie sich so lange über den Tisch im Speisezimmer gebeugt hatte, auf dem sie die Unterlagen ausgebreitet hatten.
Abrupt hob Grace den Kopf. »Äh. Nein. Es ist … äh, persönliche Korrespondenz.«
Als Kate die Verzweiflung in Grace’ sanften grauen Augen bemerkte, stockte ihr das Herz.
»Warum gibst du mir das nicht?«, fragte Harry.
Kate beachtete ihn nicht. Sie streckte nur wortlos die Hand aus. Zögerlich reichte Grace ihr ein zusammengebundenes Bündel Briefe.
Ein Brief war bereits geöffnet. Er war von Onkel Hilliard und richtete sich an Kates Vater. Allein bei der Begrüßungsformel zog sich ihr Herz sehnsüchtig zusammen.
… es ist der einzige Weg, um ein Ärgernis wie sie unter Kontrolle zu bringen. Gib sie in die Hand eines rechtschaffenen Mannes, der in ihr das erkennt, was sie ist.
Ihr Onkel Hilliard war derjenige gewesen, der Murther vorgeschlagen, ihn ihrem Vater empfohlen und damit ihr Schicksal besiegelt hatte.
»Boshafter alter Heuchler«, hörte Kate und blickte abrupt auf, denn die zornigen Worte waren aus dem Mund der friedfertigen Grace gekommen, die grimmiger aussah, als Kate sie je erlebt hatte. Andererseits wusste Kate,
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