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Gefaehrliche Versuchung

Gefaehrliche Versuchung

Titel: Gefaehrliche Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eileen Dreyer
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kümmert.«
    Sie wollte ihn wegschieben. »Oh nein. Das wirst du lassen. Ich mag dich nicht.«
    »Natürlich magst du mich. Aber selbst wenn du mich nicht mögen würdest, wäre es egal. Ich bin hier.«
    Sie wusste, dass sie wahrscheinlich seine Gefühle verletzte, doch sie konnte sich nicht entspannen. Sie würde sich nicht entspannen. Sie konnte sich nicht daran gewöhnen. Nicht einmal, wenn es warm, behaglich und tröstlich war, ihre Wange an seine Brust zu schmiegen, sodass sie in der Nacht seinen leisen Herzschlag hören konnte. Sie war sich sicher, dies zu hassen.
    Es war kein Allheilmittel. Sie hatte mindestens zwei Albträume. Aber statt voller Panik in der Dunkelheit und Kälte aufzuschrecken, wurde sie von einer sanften Hand und einer noch sanfteren Stimme beruhigt. »Schsch«, machte er. »Du bist in Sicherheit. Schlaf weiter.«
    Und erstaunlicherweise schlief sie wieder ein, nachdem Harry selbst einen Albtraum gehabt hatte und sie beinahe aus dem Bett gestoßen hätte, als er versuchte, zu seinen Männern zu gelangen.
    »Du bist bei ihnen«, beruhigte sie ihn und streichelte mit der flachen Hand über seine Brust. »Sie sind in Sicherheit. Du bist bei ihnen.«
    Keiner von beiden sprach über die Vorfälle der Nacht, als sie am nächsten Morgen erwachten und in ihr jeweiliges Zimmer gingen, um sich umzuziehen. Aber Kate wusste, ohne dass es ausgesprochen werden musste, dass sie an diesem Abend wieder zurückkehren würde.
    Tatsächlich kehrte sie zurück. Sie fühlte sich dumm und kindisch, weil sie einen starken Arm brauchte. Doch als sie in Harrys Zimmer kam, war er nicht da. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Es war sinnlos, ohne ihn hier zu sein. Aber nach dieser einen Nacht wollte sie ihre Albträume nicht mehr allein ertragen. Nicht dass sie Harrys Hilfe brauchte. Sie fand es nur leichter, jemanden an ihrer Seite zu haben.
    Unentschlossen stand sie in der Tür, als sie den Skizzenblock auf dem Nachttisch liegen sah. Eigentlich hatte sie nicht das Recht, einen Blick hineinzuwerfen. Selbst als sie noch jung gewesen waren, hatte Harry seine Privatsphäre wie einen Schatz gehütet. Doch es war ihr wichtig, zu sehen, was ihr Konkurrenz machte. Mit einem letzten verstohlenen Blick zur Flurtür setzte sie sich aufs Bett und schlug den Block auf.
    Sie lächelte. Das war der Harry, an den sie sich erinnerte. Kirchen und Kathedralen, befestigte Burgen und ein zerstörtes Bauernhaus mit eingestürztem Reetdach. Eine Straße in Brüssel mit den interessanten treppenförmigen Hausgiebeln. Alles war sorgfältig notiert und mit Notizen über den Stil, die Funktion und die Tradition aufgelistet. Château Hougoumont, das vor der Schlacht noch unversehrt gewesen war – ein Durcheinander von roten Ziegelsteinen und Dachziegeln, von hohen weißen Mauern umgeben.
    Und dann exotischere Umgebungen. Verzierte Tempel und karge Häuser, die wie Blumen inmitten von unglaublich viel Laub standen. Lehmhütten und grob behauene Kanus. Staubige Straßen, auf denen es von dunkelhäutigen Menschen in weißer Kleidung wimmelte, die mit den Händen zu reden schienen. Und dann die verfallenen, aber noch immer eleganten venezianischen Kanäle. Alles war präzise und kraftvoll wiedergegeben.
    Sie schlug eine Seite zu viel um. Statt der makellosen Linien einer Kirche wirkte diese Zeichnung eilig, brutal, intuitiv. Kate hatte schon Schlachtfelder gesehen, aber erst nachdem das Morden vorbei war. Harry hatte die Schlacht selbst gezeichnet: scheuende Pferde, die Sicht raubender Rauch, sich windende Männer, die Münder vor Schmerz aufgerissen, die Augen groß, erfasst im Moment des Todes. Allein aufgrund dieser flüchtigen Skizzen konnte sie das Chaos hören: den ohrenbetäubenden Donner der Kanonen, die Rufe, die Schreie. Das Klirren von Metall auf Metall. Sie konnte den Rauch riechen, das zertretene Gras, den eigenartigen Moschusgeruch eines zerschmetterten Körpers.
    Sie schlug die nächste Seite auf, dann die nächste und die nächste. Die Szenen ähnelten sich. Blutbad, Schmerz, Zerstörung. Ein Bild folgte dem anderen, als hätte Harry seine Erinnerung an den Horror, den er erlebt hatte, so schnell wie möglich auslöschen wollen.
    Mit der blendenden Kraft eines Blitzes sah Kate vor ihrem inneren Auge die Straßen von Brüssel in den Tagen nach Waterloo: Tausende von Verwundeten und Toten hatten auf den Plätzen gelegen und die Zeltlazarette gefüllt, neben denen amputierte Gliedmaßen wie Brennholz auf grauenerregende Haufen

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