Gefaehrlicher Liebhaber - Jagd auf Jack the Ripper
unter dunkel umschatteten Augen. Knochige Körper unter Lagen von Lumpen verborgen, die als Heimstatt für Ungeziefer aller Art dienten.
Erst als ein Schlüssel knarrend im Schloss gedreht wurde, kam etwas Leben in die Menge. Die Schläfer hoben die Köpfe und der Rest stellte sich ein wenig gerader hin.
Als die verwitterte Tür des heruntergekommenen Backsteinhauses geöffnet wurde, umfing die Hungrigen ein Duft von Eintopfsuppe. Einer nach dem anderen trat vor und nahm von den Frauen, die hinter einem langen Tisch standen, eine dampfende Schale Suppe und ein dickes Stück Brot entgegen.
„Ach, ist das eure vornehme Lady?“
Die junge Frau, die das Brot überreichte und einen guten Appetit wünschte, blickte verwundert auf. Ihre großen, runden Augen ruhten unter langen, dichten Wimpern. Das nach hinten frisierte, dichte Haar warf einen kastanienbraunen Schatten über ihre hohe, klare Stirn. Ob die einzelne Locke, die sich über ihrer Nasenwurzel kringelte, bewusst dort platziert wurde, war nicht zu sagen, doch wirkte sie ungekünstelt und lenkte den Blick des Beobachters auf jene sanften Züge, die die junge Frau zu einer herausragenden Schönheit machten.
In diesem Moment erfuhr die Sanftheit einen scharfen Bruch durch einen eisigen Blick, den sie auf den Mann förmlich abschoss, der die anmaßende, ja, beleidigende Frage geäußert hatte. Er war fast zwei Köpfe größer als sie und blickte nun, die muskulösen Arme vor der Brust verkreuzt mit zusammengepressten Lippen auf sie herab. Eine nur mühsam unterdrückte Wut schien von ihm Besitz ergriffen zu haben, denn seine Knöchel zeichneten sich weiß unter der hellen Haut ab.
„Das ist Elizabeth und ich möchte nicht, dass du so ekelhaft zu ihr bist.“ Dora wusste, dass sie dem Mann, neben dem sie stehen geblieben war und der sie mit keinem Blick würdigte, wie aus dem Gesicht geschnitten war.
Elizabeth betrachtete ihn mit mehr Aufmerksamkeit, als der ungehobelte Kerl verdient gehabt hätte.
„Das, falls du es dir nicht gedacht haben solltest, ist mein Bruder Jeffrey. Und wenn du allen, und vor allem ihm, einen Gefallen tun willst, ignorierst du ihn!“ Doras scharfe Zunge war wie immer schneller, als die Gutmütigkeit ihres großen Herzens sie zu bremsen vermochte
Elizabeths braune Augen folgten allerdings dem Rat der Freundin nicht, sondern fokussierten die eisblauen Blicke des Mannes ihr gegenüber. Es konnte keinem entgehen, dass er außergewöhnlich breite Schultern hatte, aus denen starke Arme erwuchsen. Hände, so groß und kräftig, dass sie jeden zu zerquetschen in der Lage schienen. Jeffrey trug ein kariertes Tuch um den Hals und sein kragenloses Hemd bis zur Brust offen. Diese war nur leicht behaart und schien von ihrem Bau zum restlichen Körper durchaus zu passen. Über dem Hemd trug er eine Tweed-Weste, die schon bessere Tage gesehen zu haben schien, dazu etwas zu abgewetzte Manchesterhosen.
Dora wuchtete einen Korb mit Brot auf den Tisch.
Das war der Augenblick, der Elizabeth aus ihren Gedanken zu reißen schien. Sofort nahm sie neue Brotstücke und gab sie an die nicht enden wollende Schlange weiter. Viel zu schnell neigte sich der Vorrat dem Ende entgegen und noch immer standen die Menschen mit vom Hunger eingefallenen Gesichtern und tief in den Höhlen ruhenden Augen vor ihnen.
„Wir haben kein Brot mehr“, erklärte Dora mitleidig. Doch gerade so, als ließe sich durch Sturheit das Schicksal wenden, harrten die Abgewiesenen, ohne sich zu rühren, aus. „Also … es tut mir doch selbst leid … aber“, ihre Stimme hatte einen Hauch von Ungehaltenheit angenommen, als Elizabeth eingriff.
„Pass auf – ich gehe los und sehe, ob ich noch irgendwo einen Korb voll ergattern kann, ja?“
„Vielleicht bei Ihnen im Souterrain, M’lady …“, knurrte Jeffrey und sah sie kalt an. Elizabeth ignorierte ihn und drängte an ihrem Stand vorbei nach draußen.
„Los! Geh halt mit und hilf ihr tragen, wenn sie Erfolg hat“, kommandierte Dora und ihr Bruder folgte.
Stumm wanderte Elizabeth in ihrem eleganten Cape neben Jeffrey in seiner abgewetzten Jacke über die dicht gedrängten Bürgersteige. Ihre Füße schmerzten, war sie lange Fußmärsche nicht gewöhnt. Zudem waren ihre Stiefel nicht für solche Unternehmungen gedacht. Dennoch biss sie die Zähne zusammen, als sie in die dritte Bäckerei traten und nach einer Brotspende fragten. An der Miene der Bäckerin erkannte sie erleichtert, dass diese zumindest nicht abgeneigt war. Sie
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