Gefährliches Begehren
aussieht wie wir …«
Alicia erstarrte. Wenn man aussieht wie wir. Oh, ja, das könnte funktionieren.
Julia entging nie etwas. Sie beugte sich vor. »Alicia, woran denkt Ihr?«
Alicia verwarf den Gedanken. »Nein. Nein, noch können wir Alberta aus dem Ganzen heraushalten.«
Julia kniff die Augen zusammen. Ihr Blick wanderte vom Gesicht der einen Schwester zur anderen. »Ich verstehe. Ja, es könnte funktionieren.«
Alicia hob die Hand. »Nein, Julia. Nein. Alberta hat damit nichts zu tun.«
Julia neigte den Kopf. »Diese Sache ist bedeutender als der gute Ruf einer jungen Frau. Bedeutender als einfach nur vier Menschenleben, die auf dem Spiel stehen. Ich würde weit mehr als das riskieren, um … um diese Affäre zu einem guten Ende zu bringen.«
Alberta beugte sich zu Julia. »Womit habe ich nichts zu tun?«
Julia musterte Alberta. »Mit etwas sehr Wichtigem. Etwas, das viel, viel wichtiger ist, als Christopher und Eurem Vater zu entkommen – obschon es auch das bewirken würde.«
Alicia schaute Julia böse an. »Nein!«
Olivia und Willa warteten. Sie bewahrten Ruhe, aber Alicia konnte die Hoffnung in Olivias Augen und die verzweifelte Sorge in denen von Willa sehen. Ihre eigenen, wildesten Befürchtungen drohten sie zu überwältigen.
Aber sie war die Älteste. Es war ihre Pflicht, ihre Schwestern zu beschützen, und bisher hatte sie das nicht gerade gut gemacht.
Julia lehnte sich zurück. »Alicia, Ihr wisst, dass wir es wagen müssen.«
Wie konnte sie ihre Schwester da hineinziehen? Wie konnte sie sie derart in Gefahr bringen? Aber es stand so viel auf dem Spiel, dass Alicia schließlich erkannte, wie es für Stanton gewesen sein musste. Um einen Verrückten davon abzuhalten, Napoleon zu unterstützen, war er zu jedem Opfer bereit gewesen.
Kein Wunder, dass er nie gewagt hatte, sich zu verlieben.
Alberta, die jetzt erkannte, dass etwas sehr viel Größeres auf dem Spiel stand als ihr guter Ruf, schaute von einer Frau zur anderen. Ihr Kiefermuskel zuckte, und Alicia sah, wie die altbekannte Familiensturheit in den Blick ihrer Schwester trat.
Alberta wandte sich an Julia. »Was muss ich tun?«
32. Kapitel
A licia fand tastend und sich erinnernd ihren Weg durch den dunklen Wald. Sie war oft aus ihrem Schlafzimmerfenster geklettert, um einen Blick auf die berüchtigten Partys von Lord Cross zu werfen.
»Das hier ist mein Wald«, hatte sie zu Julia gesagt, als diese ihr widersprochen hatte. »Das sind meine Hügel. Welcher Dienstbote könnte im Dunkeln den Weg zu dem Ort finden, von dem aus man den perfekten Blick auf das Haus hat, ohne sich selbst zu verraten?«
Julia wäre niemals damit einverstanden gewesen, wenn sie nicht in solcher Sorge gewesen wäre. Alicia nutzte das schamlos aus. »Ich weiß, wo er ist. Ich bin die Einzige, die eine Doppelgängerin hat, die an Prinnys Tisch sitzen kann. Ich mache es, Julia. Das Einzige, was Ihr tun könnt, ist, mir aus dem Weg zu gehen.«
Aber Julia hatte das letzte Wort. »Und was, glaubt Ihr, könnt Ihr gegen ihn ausrichten, wenn Ihr ihn gefunden habt?«
Alicia umarmte sie kurz. »Ich werde mir etwas überlegen«, sagte sie. »Das mach ich immer so.«
Jetzt war sie sich nicht mehr so sicher. Sie stieg langsam den Hügel hinauf und benutzte dabei einen Pfad, der sehr viel dichter überwuchert war, als er es in ihren Kindertagen gewesen war, als sie ihn zuletzt benutzt hatte. Sie hatte ihr dunkelgrünes Kleid angezogen, das dunkelste, das sie
besaß, aber der Wald war im Augenblick ganz und gar nicht grün. Sie hatte sich das Haar streng zurückgebunden, aber die nackten Zweige verfingen sich dennoch darin und zogen ihr Strähnen aus der Frisur.
Endlich war sie am Fuß des Hügels auf die andere Seite gelangt. Sie wusste, was im Haus gerade passierte. Prinz George hatte das Wetter für gut genug erklärt – man konnte annehmen, dass jedes Wetter gut genug gewesen wäre -, um draußen zu dinieren, sodass man das Spektakel anschauen konnte, während das Dessert eingenommen wurde. Die Damen hatten sich in Pelzroben gewickelt und einige Herren wahrscheinlich auch, alle würden lächeln und leiden und den schönen Abend preisen.
Das alles würde aufhören, sobald das Dessert herausgebracht wurde. Alicia hoffte nur, dass niemand bemerken würde, dass das maskierte und mit einigen strategisch platzierten Früchten bekleidete Mädchen auf dem riesigen, von sechs Lakaien getragenen Tablett, dessen leuchtend rotes Haar wie ein großartiger, flammender
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