Gefährliches Spiel der Versuchung
bog, bis sie wieder geschmeidiger waren.
»Er hat mich gebeten, es Ihnen möglichst bequem zu machen.« Die Frau hielt inne, um der Zofe, die in der Tür auftauchte, eine Reihe Befehle zu erteilen. »Übrigens«, fuhr sie fort, wieder an Shannon gewandt, »ich bin Mrs. Hallaway, die Haushälterin von Greenfield Hill. Der Tee ist schon unterwegs. Aber vielleicht geben Sie nach der langen Reise einem stärkeren Getränk den Vorzug?«
»Tee ist großartig.« Shannon rieb sich den Nacken und brauchte einen Moment, um die Worte der Hausverwalterin sinken zu lassen. Ein dampfendes Bad? Gestärkte Laken? Beinahe wäre ihr ein leises Stöhnen über die Lippen geschlüpft. Aber die Pflicht verbot ihr solch dekadente Gedanken, zumindest im Moment. »Bestimmt wünscht Lord Lynsley einen umfassenden Bericht, bevor ich mich zurückziehe?«
»Das Treffen ist auf morgen vertagt worden.«
»Warum?«, fragte Shannon laut. Anders als ein Gemüsehändler oder eine Putzmacherin war der Marquis es nicht gewohnt, sich an geregelte Zeiten zu halten.
»Oh, was das betrifft, ich habe keine Ahnung.« Die fröhliche Stimme der Haushälterin klang eine Spur dunkler. »Zusammen mit dem anderen Gentleman hat er sich seit Stunden in die Bibliothek eingeschlossen. Die Köchin hat das Abendessen bereits zweimal zurückgestellt.« Wieder tat sie wie eine Glucke. »Ich fürchte, dass der Braten vollkommen verbrannt sein wird.«
Der andere Gentleman? Während Shannon begann, den kalten Imbiss hinunterzuschlingen, der kurz darauf serviert wurde, versuchte sie sich vorstellen, wer er wohl sein mochte. War das Gerücht ihres abscheulichen Versagens bereits bis nach Whitehall gedrungen?
Sie schluckte den Bissen Vanilletörtchen hinunter, der ihr in der Kehle stecken geblieben war, wischte sich die Hände ab und beschloss, dass es keinen Sinn hatte, sich mit den verschiedensten Einbildungen zu quälen. Ob der nächste Morgen die Erlösung brachte oder ob sie in Ungnade fiel, in jedem Fall würde sie mit erhobenem Haupt auftreten. Gemessen an den Umständen hatte sie schließlich ihr Bestes gegeben. Mehr konnte sie nicht von sich verlangen.
Falls Lynsley mehr verlangte, konnte sie es nicht ändern. Nachdem sie die Mahlzeit beendet hatte, war Shannon plötzlich so müde, dass sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Mrs. Hallaway kehrte zurück, um sie unter ihre Fittiche zu nehmen. »Kommen Sie, meine Liebe. Ich werde Sie ins Bett stecken.«
Shannon gestattete es sich, sich den Flur hinunterführen zu lassen. Aus einer der verschlossenen Türen drang das Gemurmel männlicher Stimmen. Am liebsten wäre sie einen Moment vor der Tür stehen geblieben, um zu lauschen, aber ihre Begleitung eilte rasch mit ihr durch die marmorne Eingangshalle zur Treppe hinüber.
»Nun die Treppe hinauf und dann nach rechts. Die Laken müssen gewärmt worden sein, und das Feuer im Kamin ist angezündet. Schlafen Sie gut.«
Obwohl Shannon schon zum Morgengrauen angezogen und bereit war, pflichtgemäß Bericht zu erstatten, ereilte sie der Befehl, unten zu erscheinen, erst mitten am Vormittag.
»Ah, da sind Sie ja.« Lynsley erhob sich und winkte sie zu dem Stuhl, der vor dem massiven Tisch aus Birnbaumholz stand. »Bitte machen Sie es sich bequem.«
Shannon legte einen Stapel Papier mit Wasserflecken auf die Schreibtischunterlage, bevor sie tat, wie geheißen. Halb im Schatten saß ein bärtiger Gentleman, aber Lynsley machte keinerlei Anstalten, ihn vorzustellen. Also benahm sie sich, als wäre er nicht anwesend. »Ich habe einen vollständigen Bericht verfasst, Sir. Es tut mir leid, dass er ein wenig ramponiert aussieht.«
»Hm.« Der Marquis klemmte sich ein Monokel vors Auge, überflog die ersten Seiten und legte die Blätter dann zur Seite.
»Ich entnehme Ihren Notizen, dass es ... Schwierigkeiten gab.« Selbst für den Marquis, einen Mann von untadeliger Haltung, klangen diese Worte untertrieben.
»Ja«, erwiderte Shannon, ahmte seinen lakonischen Tonfall nach.
Der Fremde regte sich, schlug die Beine übereinander, sodass man die Stiefel aus weichem Leder sehen konnte. Es war nicht nur die Maserung, sondern auch deren Farbe, ein Burgunderrot, das den Blick auf sich zog. Ein eitler Pfau? Wohl kaum der richtige Vogel, um einen Falken zu begleiten.
Shannon ließ den Blick über seine flaschengrünen Hosen und die Weste schweifen, die mit einem aufwendigen Muster wirbelnder rubinroter Stickerei verziert war; so trat der Gegensatz zu Lynsleys kargen
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