Gefährliches Spiel der Versuchung
sein.
Er blinzelte gegen das Sonnenlicht, blieb am Ende der Anlegestelle stehen und sog den würzigen Duft nach geteerter Kiefer und salzigem Sprühregen tief ein. Nachdem er tagelang in der Dunkelheit gehockt hatte, brauchte er nichts anderes als frische Luft, um die betäubenden Erinnerungen an die jüngste Vergangenheit zu verscheuchen.
Freiheit. Er sollte inneren Jubel verspüren. Und doch war seine Stimmung seltsam gedämpft, als er sich vorwärtszwang. Seine Schritte schlurften über das Kopfsteinpflaster, und er musste dem Drängen widerstehen, sich umzudrehen und die Menge nach einem schmutzigbraunen Umhang abzusuchen.
Noch nie zuvor bin ich so lange mit einer Frau zusammengewesen, dachte Orlov trocken. Eine Nacht, höchstens zwei - dann trieb es ihn weiter. Tiefsinnige Gespräche gehörten nicht zu den Erfahrungen, die er bisher mit ihnen gemacht hatte. Und doch hatte er die Unterhaltungen mit Shannon genossen. In der Tat, sie war sogar noch faszinierender geworden, jetzt wo er einen Blick darauf hatte erhaschen können, was sich unter den geschmeidigen Muskeln und der stolzen Anmut ihres herrlichen Körpers befand.
Handelte es sich etwa um eine Anziehung, die nicht nur körperlich war, sondern auch geistig?
Orlov knurrte. Das Laudanum musste ihm den Verstand geraubt haben. Er brauchte nichts anderes als einen Drink, um die Reste des Schmerzmittels fortzuspülen.
Orlov drückte sich durch den Hafen, überquerte die Straße und achtete darauf, dass seine Bewegungen niemandem auffielen. Nachdem er einen Hügel hinaufgelaufen war, entschied er sich wahllos für eines der Gasthäuser. Bei einem Krug Bier würde er entscheiden, wie er anschließend vorgehen wollte. Es schien nur vernünftig, sich in Richtung London zu wenden. Nichts wäre leichter, als rasch eine kleine Konferenz mit dem russischen Beauftragten einzuberufen. Nur der Allmächtige konnte wissen, wo Yussapov sich zur Stunde aufhielt.
Gerade wollte er den Golden Dolphin betreten, als ihn ein Mann mit der Schulter schubste. Orlov biss die Zähne zusammen, wollte zu einer rüden Bemerkung ansetzen, als der Mann innehielt und himmelwärts schaute. »Bei den Gebeinen des heiligen Sergius, es scheint, als würde ein Wind von Norden her wehen!«
Orlov verharrte reglos. »Was Sie nicht sagen! Mir scheint, er weht eher aus Osten.«
»Ich wage die Behauptung, dass Sie recht haben.« Der Mann stopfte die Hände in die Taschen und setzte seinen Weg wortlos fort.
Orlov warf einen sehnsüchtigen Blick in die Schankstube, folgte seiner neuen Bekanntschaft aber in eine nahe gelegene Seitenstraße.
»Eine Kutsche wartet am Pink Mermaid auf Sie, abseits der Groton Lane. Sie sollten sich beeilen. Die Angelegenheit ist dringlich.«
»Wie zum Teufel ...« Orlov wusste, dass er sich schnellstens auf den Weg machen sollte.
Der Mann unterstrich seine Ahnungslosigkeit durch ein Schulterzucken. »Ich bin nur der Bote.«
Er sollte dankbar sein, dass Yussapov ihn ausfindig gemacht hatte, anstatt dass es andersherum geschehen war. Aber dennoch konnte Orlov nicht umhin, seine Frage zu Ende zu formulieren ... Wie zum Teufel hatte der Prinz davon Wind bekommen, dass der Einsatz in Irland sich zu einem Fiasko entwickelt hatte? Er musste seine eigene Schar scharfäugiger Habichte besitzen, die den Globus umkreisten. Entweder das oder eine redselige Kristallkugel.
Was seine eigenen Fähigkeiten zur Weissagung betraf, so herrschte Ebbe. Nichts ergab einen Sinn - weder seine schlechte Laune noch das unerklärliche Gefühl des Bedauerns. Müde und hungrig wie er war, fühlte er sich versucht, seinen Vorgesetzten sich die Beine in den Bauch stehen zu lassen, während er sich eine ausgedehnte Mahlzeit gönnte und vor allem das dringend benötigte Bad. Und Schlaf in einem echten Bett ...
Verdammt! Er konnte sich kaum noch daran erinnern, wann er das letzte Mal die Bequemlichkeit sauberer Laken und mit Federn gefüllter Kissen genossen hatte.
Obwohl seine Schritte langsamer wurden, schüttelte er den Gedanken an Meuterei ab. Sein zauberhafter Falke hatte sich nicht vor der Pflicht gedrückt, Lord Lynsley Bericht zu erstatten. Und zwar ungeachtet der Tatsache, dass sie für ihre Taten am Galgen enden konnte.
Er selbst sollte sich zur Ordnung rufen und sich an seinen Sinn für Disziplin erinnern, wenn es für seine Zwecke nützlich war.
Und wo er gerade darüber nachdachte, er freute sich sogar auf die Begegnung mit Yussapov. Die prächtige Kleidung des Herrschers würde
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