Gefährliches Spiel
Luft flimmerten.
Charity nahm einen langen, glücklichen Atemzug. Die Luft war makellos, duftete nach den Kiefern um sie herum und den Köstlichkeiten aus Emilios Küche. Der Duft eines wundervollen Abends.
Ihr Leben war in letzter Zeit ein wenig grau gewesen. Nicht wirklich grau vielleicht, aber ein bisschen … eintönig. Reine Routine. Sie gestand sich nur ungern ein, wie viel ihrer Zeit und Energie Tante Vera und Onkel Franklin beanspruchten. Aber wenn endlich nach fünf Tagen Arbeit in der Bücherei und zwei, drei kurzen Besuchen bei ihrer Tante und ihrem Onkel, wo sie sich um alles kümmerte, was für ihr Wohlergehen nötig war, der Freitag kam, hatte sie gerade noch genug Energie, sich am Wochenende um ihren Haushalt zu kümmern.
Langsam, ohne dass sie es richtig bemerkte, ging sie weniger und weniger aus, ging seltener ins Kino oder zu Konzerten. Die einzige Ausnahme, die sie machte, war Wassily. Wenn er anrief, hatte sie immer Zeit und Energie für ihn.
Nick hielt ihr die Tür auf und führte sie mit einer Hand auf ihrem unteren Rücken hinein. Eine Frau könnte sich an solch altmodische Umgangsformen gewöhnen.
Da Emilio’s war wie immer warm und einladend, mit einem großen flackernden Feuer in jedem Raum. Zur Rechten befand sich eine gemütliche Bar, zu der Nick sie führte. Der rundliche Oberkellner kam zu ihnen hinübergeeilt.
Nick blieb stehen und sagte: „Wir haben eine Reservierung auf den Namen Nick Ames“, doch der Mann beachtete ihn gar nicht. Er stürzte einfach auf sie zu.
Charity seufzte und wappnete sich.
„ Signorina Chaaaritiii !“ Sie wurde mit festem Griff in einer schwungvollen Umarmung gegen einen harten, runden Bauch gedrückt. Eine Umarmung, die nach Versace und Knoblauch duftete.
„Sergio.“ Charity lächelte ihn an, als er sie endlich freigab. Emilios Schwager hatte eine viel extrovertiertere Persönlichkeit als Emilio selbst. Er war ein sehr guter Restaurantleiter.
„Willkommen, meine Liebe. Wo sind Sie gewesen? Warum sind Sie nicht mehr zum Essen zu uns gekommen?“ Er hielt sie auf Armeslänge von sich und musterte sie aufmerksam. „Sie sehen magra aus. Viel zu dünn. Haben Sie auch genug gegessen?“ Er runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. „Was rede ich da? Natürlich haben Sie das nicht. Emilio!“, rief er, während er ihren Mantel und – offensichtlich fiel es ihm erst später ein – auch den von Nick nahm. „ Vieni qui subito !“
Einige Gäste kamen durch die Tür, aber Sergio ignorierte sie. „Emilio!“, brüllte er.
Charity verzog das Gesicht und blickte zu Nick hoch. Er sah amüsiert aus und vollkommen entspannt.
„Emilio wird entzückt sein, Sie zu sehen, Miss Charity. Er hat gerade erst gestern von Ihnen gesprochen. Anna war übers Wochenende zu Hause und …“
„Charity!“ Emilio kam aus der Küche gestürzt, ein großer, schlanker, attraktiver Mann. Sein Essen war so gut, dass Charity nicht verstand, wie zum Himmel er es schaffte, so dünn zu bleiben. Vermutlich weil er so hart arbeitete. Er war vor zwanzig Jahren nach Parker’s Ridge gekommen, ein gut aussehender, junger italienischer Student aus Bologna, der nach dem College durch die USA trampte, und hatte schließlich seine Verlobte, seine Schwester und ihren Ehemann aus Bologna nachgeholt.
Gott allein wusste, warum er sich ausgerechnet den Norden Vermonts ausgesucht hatte, um sich niederzulassen, aber die Bewohner von Parker’s Ridge waren dankbar. Er führte das erfolgreichste – und beste – Restaurant in diesem Teil des Staates.
Emilio schloss sie in die Arme, hielt sie dann wieder auf Armeslänge von sich und sah sie kritisch an, genau wie Sergio es getan hatte. „Sie haben nicht genug …“
„Gegessen“, sagte Charity mit einem Seufzer. „Ich weiß. Sergio hat es mir bereits gesagt. Aber es stimmt nicht. Wir haben eben nicht alle das Glück, Silvias Figur zu haben.“
Bei der Erwähnung seiner geliebten Frau, die die Bücher genau wie die Familie gut und mit fester Hand führte und ihm so die Zeit für seine Kreationen ließ, lächelte Emilio. Silvia wog mindestens zwölf Kilo mehr als Charity, und jedes Gramm bestand aus Killerkurven, die Männeraugen magisch anzogen.
„Das stimmt“, sagte er stolz. „Trotzdem sollten Sie mehr essen.“
Charity musste sich wirklich zusammennehmen, um nicht die Augen zu verdrehen. Es wurde Zeit, das Thema zu wechseln. Emilio war durchaus fähig, ewig so weiterzumachen, wenn sie es zuließ.
„Aber genug davon!“
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