Gefährtin Der Finsternis
brannte in ihm, ein Hunger, der jeden seiner Gedanken vereinnahmte. »Ich möchte nach Hause gehen.«
»Ich weiß, Junge«, sagte Sascha, tätschelte seine Wange und lächelte, obwohl sein Gesicht schweißnass war, als hätte er Schmerzen. »Das wirst du.« Er hielt inne und stützte sich vor Anstrengung keuchend auf das Tor, und Simon konnte ihn riechen, seinen Schweiß und seine Angst, so köstlich und einladend wie der Duft eines Hirschbratens nach einem langen Tag des Fastens. »Gib mir nur noch einen Moment Zeit.«
»Schon gut«, antwortete Simon, und seine Stimme klang in seinen eigenen Ohren hohl. »Es geht mir gut.« Der Hunger war wie ein Schwert, das seinen Leib durchbohrte – er hatte noch nie in seinem Leben einen solchen Hunger verspürt. »Ich kann dich tragen.«
»Nein«, sagte Sascha und winkte ab – oder zumindest glaubte er, dass Sascha das gesagt hätte. Es wurde schwierig, über den pochenden Rhythmus hinweg etwas zu hören. Er fühlte sich benommen und trunken, aber auch von einer seltsamen, anregenden Kraft durchströmt. Tatsächlich hätte er Bäume ausreißen können, so stark fühlte er sich.
»Du bist nicht verletzt?« Der Russe sah ihn verwundert an. »Wie kann das sein?« Der liebe Sascha, sein Freund … er musste ihn retten. Er legte eine Hand um Saschas Arm, um ihn zu stützen. Er war sein einziger Freund, der einzige andere Überlebende ihrer Gruppe. Er musste ihn retten.
»Ich habe sie getötet«, belehrte er Sascha. Er konnte die lebendige Haut seines Freundes durch die dicke Lederjacke spüren, die Hitze seines lebendigen Blutes, und er wollte es, wollte sich an ihm nähren, wie er die anderen in der Halle sich von seinen Freunden hatte nähren sehen. Er wollte das Blut verzweifelt schmecken, das pochende Herz in Besitz nehmen. Aber er würde es nicht tun, er würde nicht dieses Ungeheuer, dieser Vampir werden. Er legte sich den Arm des Russen über die Schultern und eilte auf den Wald zu. »Ich habe Lucan Kivar getötet.« Und Lucan Kivar hat mich getötet, dachte er, als der Schmerz in seinem Bauch stärker wühlte, wie geschmolzenes Blei brannte. In der Ferne heulte ein Wolf, ein böser, spottender Laut, der durch das Dröhnen von Saschas Blut hindurchdrang, durch das Hämmern des noch immer schlagenden Herzens. »Diese Berge«, flüsterte Simon und blickte auf, spürte die Zähne sich an seiner Zunge schärfen. Er wollte dem widerstehen, wollte sein, was er immer gewesen war, aber das Blut wollte nicht schweigen, der Hunger wollte ihn nicht loslassen. Vampir … er war ein Vampir. »Sascha … du hattest Recht …«
Er schleuderte seinen Freund mit tödlicher Macht gegen das Tor – er hörte Knochen an seinem Rücken und den Schultern brechen, den harten Schlag des Schädels gegen die Steine. Einen klaren Moment lang sah er Saschas Gesicht, sah Traurigkeit in dessen Augen, und sein Herz schrie vor Entsetzen auf. Aber der Dämonenhunger ließ sich nicht leugnen. Wie die Bestie knurrend, zu der er geworden war, versenkte er seine Zähne in der Kehle des Russen, seine Vampirzähne zerrissen die Adern, um das heiße, süße Blut zu erreichen. Seine Gedanken wirbelten umher, elend vor Scham, aber plötzlich befand sich sein Körper wieder in Verzückung, dieselbe wahnsinnige Freude, die er zuvor empfunden hatte, aber irgendwie stärker, wohliger und realer. Er hörte erst auf, als der Herzschlag verebbte, als Sascha in seinen Armen erschlaffte wie ein Lumpen. Er zog sich entsetzt zurück, sah Saschas Kopf auf den Schultern wanken, die Augen tot und ebenso starr wie die der anderen.
»Das erste Mal ist es immer am schlimmsten.« Der Zwerg stand beobachtend in den Schatten. »Der Drang nach Blut wird niemals wieder so stark sein. Zumindest hat man mir das gesagt.«
Simon sah ihn einen Moment lang an, und das Gefühl, dass dies alles ein Traum sein müsse, ergriff ihn erneut. Dann blickte er auf Sascha hinab, und die Wahrheit ließ ihn so heftig erzittern, dass er glaubte, er würde zusammenbrechen. »Was bin ich?«, fragte er, während er den Körper sinken ließ. »Und wer seid Ihr?«
»Mylady hat es Euch gesagt, Ihr seid ein Vampir«, erklärte der Zwerg und trat näher. Er bedeckte Saschas Gesicht mit seinem Umhang, eine freundliche, anmutige Geste. »Und ich bin Orlando.«
»Orlando«, wiederholte Simon. »Und wer ist das?«
»Myladys Diener.« Er reichte Simon ein Tuch, während er auf sein eigenes Gesicht deutete, Simon nahm es entgegen und wischte sich das Blut vom
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