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Gefaelschtes Gedaechtnis

Titel: Gefaelschtes Gedaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John F. Case
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Klinischen Psychologie und Neueren Geschichte hatte McBride zwei Jahre lang Mittel- und Südamerika bereist. Während dieser Zeit hatte er scharfsinnige und interessante Berichte über die Massenkonvertierungen von Wunderheilern in Brasilien, das Auslösen von Trancezuständen bei Voodoo-Zeremonien auf Haiti und die Rolle von »Waldkräutern« in den Riten von Candomblé und Macumba geschrieben.
    Zwei dieser Berichte waren im New York Times Magazine veröffentlicht worden, was ihm einen Buchvertrag eingebracht hatte. In drei Monaten stand sein Forschungsstipendium zur Verlängerung an, und nach reiflicher Überlegung hatte er den Entschluss gefasst, darauf zu verzichten. Er war es allmählich leid, aus Koffern zu leben, und wollte endlich Zeit haben, das Buch zu. schreiben. Und da die Stiftung ihn für das jährliche Gespräch nach Zürich bestellt hatte, war das die beste Gelegenheit, seine Entscheidung mitzuteilen.
    Fazit: Das Leben war schön und würde noch schöner werden. Falls die Besprechung so lief, wie McBride sich das vorstellte, konnte er noch die Sechs-Uhr-Maschine nach London erwischen und wäre rechtzeitig zum Abendessen bei Jane - der realen Jane, die er seit Monaten nicht mehr gesehen hatte. »Jane, sweet, sweet Jane ...«
    Diese Aussicht beschleunigte seine Schritte, sodass er fast zehn Minuten früher wieder im Florida war, als er erwartet hatte. Ihm blieb also reichlich Zeit zum Duschen, Rasieren und Anziehen und um sein einziges Gepäckstück zu packen — einen Seesack, der auch schon bessere Tage gesehen hatte.
    Er würde sich mit Gunnar Opdahl treffen, dem Direktor der Stiftung, einem wohlhabenden und weltgewandten norwegischen Chirurgen, der die Medizin gegen die Philanthropie eingetauscht hatte. McBride hatte schon von Kalifornien aus mit Opdahl telefoniert und wusste daher, dass der Direktor es gerne sähe, wenn er sich noch für ein drittes Jahr verpflichtete. Er war froh über die Gelegenheit, Opdahl persönlich zu sprechen. So konnte er ihm die Gründe für seine Entscheidung darlegen, die Stiftung zu verlassen, und gleich­ zeitig seine Dankbarkeit gegenüber dem Institut ausdrücken. Und auf dem Weg nach Hause konnte er Jane einen Besuch abstatten.
    Das Institut war in einem Stadthaus untergebracht, einem düsteren Granitklotz, erbaut um die Jahrhundertwende von einem Schweizer Industriellen, der sich später an einem Kronleuchter in der Eingangshalle erhängt hatte. Das Gebäude war drei Stockwerke hoch, hatte Fenster mit Mittelpfosten und alten gewölbten Scheiben. Die Dachrinnen waren aus Kupfer und hatten Wasserspeier an den Fallrohren, ein Kamintrio ragte aus dem Ziegeldach auf, und aus einem halben Dutzend Blumenkästen quoll die reinste Blütenpracht.
    Eine kleine Messingtafel neben der massiven Eingangstür erklärte auf Deutsch, Französisch und Englisch, um was für eine Stiftung es sich handelte. Über dem bleiverglasten Oberlicht blickte eine Sicherheitskamera nach unten. Er klingelte, einmal, zweimal, und  ....
    »Lew!« Die Tür wurde aufgerissen, und Gunnar Opdahl stand vor ihm, versperrte den Blick auf den Raum hinter sich. Der Institutsdirektor war noch größer als McBride mit seinen ein Meter fünfundachtzig, elegant in einem teuren, vermutlich maßgeschneiderten Businessanzug und mit einer Hermès-Krawatte, die McBride aus den Duty-free-Shops in Heathrow kannte.
    Schlank und doch kräftig gebaut, bewegte sich der etwa fünfzigjährige Opdahl mit der geschmeidigen Anmut eines in die Jahre gekommenen Athleten - was er auch tatsächlich war, denn Jahrzehnte zuvor hatte er die Bronzemedaille im Abfahrtslauf gewonnen. Sie waren einmal zufällig im Gespräch darauf gekommen, und McBride konnte zum Besten geben, dass sein Vater bei denselben Winterspielen (Sapporo, 1972) Silber im Biathlon gewonnen hatte (der erste Amerikaner überhaupt, der sich in dieser Sportart platzieren konnte). Opdahl hatte freundlich das Gesicht verzogen und geklagt, dass »Norwegen den Biathlon abonniert hat — zumindest erwartet man das von uns!«.
    Jetzt reichte Opdahl McBride die Hand und legte ihm freundlich einen Arm um die Schultern. »Wie war die Reise?«, fragte er. »Problemlos?« Der Ältere führte McBride hinein und schloss die Tür.
    »Ein bisschen Jetlag«, erwiderte McBride. »Aber ansonsten war der Flug angenehm.«
    »Und das Florida?«, fragte Opdahl, als er McBrides Seesack mit einem nachdenklichen Blick neben die Tür stellte.
    »Das Florida ist großartig! «
    Opdahl lachte

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