Gefahr für Al Wheeler

Strategie bestand darin, mir
Lennys wegen keine Sorgen zu machen — ja keinerlei Sorgen zu machen! — , sondern zu warten, ob ich ihn
nicht im Bruchteil einer Sekunde, bevor er mich sah, erwischen konnte.
    Ich schlich mich einen weiteren
halben Meter vor, was mich beinahe ans Ende der Theke, jedoch näher an die dahinterbefindlichen Flaschenschränke brachte. Dann feuerte
Lenny zwei weitere Schüsse ins Blaue, und ich vernahm Mikes schwerfälligen
Schritt auf dem Boden. Er ging, genau wie ich erhoffte, in jenem weiten Radius,
wobei er sich angesichts seiner körperlichen Ausmaße verhältnismäßig schnell
bewegte und auf jenen entscheidenden Augenblick der Unentschlossenheit setzte,
der eintreten mußte, sobald er mich überraschte.
    Aber so ein Pech! Es kam nicht
zu jenem entscheidenden Moment. Es kam nicht dazu, weil ich auf ihn vorbereitet
war und auf ihn wartete, und weil ich mir einbildete, daß ich diesen Moment
verdammt viel nötiger brauchte als er.
    Die Pistole in seiner Faust war
auf mich gerichtet, als er in Sicht kam, aber ich drückte bereits auf den Abzug
meiner Achtunddreißiger , und die Kugel erwischte ihn
hoch in der Brust. Er schwankte einen Augenblick, ging aber weiter. Ich feuerte
ein zweites Mal, zielte aber niederer, so daß ihn das Geschoß in den Unterleib
traf.
    Mikes Pistole detonierte — vielleicht
war es eine Reflexhandlung — , als er zum zweitenmal getroffen wurde, unmittelbar gefolgt von einem großen Geklirr, als die Kugel
mitten zwischen den Flaschen hinter der Bar einschlug.
    Dann sank Mike Soulos mit verzerrtem Mund in die Knie, während sich ein
qualvoller Schrei auf seinen Lippen formte — ein lautloser Schrei. Die Pistole
entglitt seiner Hand, und dann sank der gewaltige Körper mit dumpfem Aufprall
zu Boden, wo er bewegungslos liegenblieb. Den letzten halben Meter bis zum Ende
der Bar bewältigte ich mit einem Satz. Lenny Kosto stand ungefähr viereinhalb Meter von mir entfernt und starrte auf Soulos ’ Leiche. Dünne Bäche von Schweiß liefen über sein
Gesicht, und sein Mund zuckte nervös. In diesem Bruchteil einer Sekunde hätte
ich ihn spielend erwischen können — aber ausgerechnet da mußte ich etwas durch
und durch Blödsinniges tun.
    »Lassen Sie die Pistole fallen,
Lenny!« rief ich. »Sofort!« Er bewegte sich schneller, als ich es je bei
irgendeinem menschlichen Wesen für möglich gehalten hätte. Die Pistole hüpfte
in seiner Hand, als er feuerte, und das Geschoß flog nur wenige Zentimeter von
mir entfernt an der Bar vorbei. Dann machte Lenny einen Satz zur Seite — meine
Schüsse verfehlten ihn um Kilometer — , drehte sich mitten in der Luft um seine
Achse, so daß er sich mit dem Gesicht dem Ausgang gegenüber befand. Noch bevor
seine Füße den Boden berührten, war er halb durch die Tür hinaus.
    Bevor ich auf die Beine kommen
und ebenfalls zur Tür rennen konnte, war Lenny draußen in der Dunkelheit
verschwunden. Es blieb mir keine andere Wahl, als ihn zu verfolgen, obwohl es
nicht gerade sehr klug ist, auf einen bewaffneten Mann in der Dunkelheit Jagd
zu machen.
    Draußen machte ich einen
Augenblick Pause. Ich hörte Lennys davoneilende Schritte irgendwo vor mir auf
dem zementierten Weg. Aber nur für ein paar Augenblicke. Dann, plötzlich, hatte
auch er einen raffinierten Einfall, und das Geräusch der Schritte verstummte.
Ich blieb wie angewurzelt stehen und lauschte mit äußerster Spannung und einem
häßlichen Gefühl der Angst in meinem Innern. Möglicherweise hatte Lenny einfach
den Pfad verlassen und erwartete mich, um aus nächster Entfernung und aus dem
schützenden Dunkel der Gartensträucher auf mich zu schießen.
    Die Gartensträucher zeichneten
sich schwarz in der Dunkelheit ab, und an verschiedenen Stellen standen sie
ganz nah an den Rändern des Pfads. Unter ihrem Schutz wäre es Lenny möglich
gewesen, mir seine Pistole beim Vorbeigehen zwischen die Rippen zu stecken und
abzudrücken, bevor ich auch nur »muh« sagen konnte. Ich versuchte, auf die
feinsten Geräusche zu lauschen, und vernahm ein paar
nächtliche Laute, die nichts mit Lenny zu tun hatten. Jedenfalls nicht alle von
ihnen. Aber woher sollte ich wissen, welche davon es waren?
    Ich
wagte mich zwei Meter weiter vor und hielt dann inne, um erneut zu lauschen. In
einem ungefähr sechs Meter vor mir liegenden Gebüsch hörte ich leichtes
Rascheln. Ich lauschte angestrengt, dann hörte ich es aufs neue, diesmal
gefolgt von einem raschen und erstickten Niesen.
    Ich
grinste