Gefahrenzone (German Edition)
dagegen sah er aus wie ein Vampir in seinem Sarg.
»Heilige Scheiße, Gav. Hast du die Nacht hier verbracht?«
»Tatsächlich das ganze Wochenende«, antwortete Biery mit einer müden, aber begeisterten Stimme.
»Brauchst du einen Kaffee?«
»Ryan ... im Moment schwitze ich Kaffee aus allen Poren aus.«
Jack musste kichern. »Hoffentlich hat dein beschissenes Wochenende auch etwas gebracht.«
Ein strahlendes Lächeln überzog Bierys weiches Gesicht. »Ich habe es gefunden. Ich habe es, verdammt noch mal, gefunden!«
»Was hast du gefunden?«
»Ich habe auf der Istanbul-Festplatte Reste einer Schadsoftware gefunden. Es ist nicht viel, aber es ist eine Spur.«
Jack reckte die Faust in die Luft. »Großartig!«, rief er. Innerlich dachte er jedoch: Das wurde aber auch wirklich Zeit.
9
W ährend Ryan und Biery in die Technologieabteilung hinuntergingen, saß John Clark in seinem Büro und trommelte mit den Fingern seiner guten Hand auf den Schreibtisch. Es war kurz nach 8.30 Uhr. Der Operationsleiter des Campus, Sam Granger, arbeitete bestimmt bereits seit einer Stunde in seinem Büro, während der Direktor des Campus und Chef der »offiziellen« Firma Hendley Associates gewöhnlich zu dieser Zeit seinen Arbeitstag begann.
Es gibt keinen Grund, dies länger hinauszuschieben. Clark hob den Hörer ab und wählte eine Nummer.
»Granger.«
»He, Sam, hier ist John.«
»Guten Morgen. Schönes Wochenende gehabt?«
Nein, eigentlich nicht, dachte er. »Kann nicht klagen. He, könnte ich mal mit Ihnen und Gerry reden, wenn Sie beide einen Moment Zeit haben?«
»Kein Problem. Gerry kommt gerade zur Tür herein. Wir hätten jetzt Zeit. Kommen Sie doch gleich vorbei.«
»Roger.«
F ünf Minuten später betrat Clark Gerry Hendleys Büro im achten Stock des Gebäudes. Gerry kam hinter seinem Schreibtisch hervor und streckte John die linke Hand hin, wie es seit Januar jeder im Campus machte, wenn er Clark begrüßte. Sam saß in einem Stuhl vor Grangers Schreibtisch und bedeutete John mit einem Zeichen, neben ihm Platz zu nehmen.
Durch das Fenster hinter Hendleys Schreibtisch sah man auf die weite Landschaft Marylands hinaus, die Maisfelder und Pferdefarmen, die sich von hier nach Norden bis zur Stadtgrenze Baltimores erstreckten.
»Was gibt’s, John?«
»Meine Herren, ich habe mich entschieden, den Tatsachen ins Auge zu sehen. Meine rechte Hand wird ihre alte Funktionsfähigkeit nicht mehr zurückerlangen. Auf keinen Fall hundert Prozent. Vielleicht 75 Prozent, aber auch das nur nach einer langen Physiotherapie. Eventuell muss ich mich sogar noch ein oder zwei Mal unters Messer legen.«
Hendley zuckte zusammen. »Verdammt, John. Das höre ich aber gar nicht gern. Wir hatten alle gehofft, dass die letzte Operation Sie wieder vollkommen herstellen würde.«
»Das habe ich auch.«
»Nehmen Sie sich so viel Zeit, wie Sie brauchen«, meldete sich Sam zu Wort. »Die Istanbul-Festplatte ist immer noch nicht vollkommen ausgewertet, bis dahin sind alle Operationen eingefroren. Das könnte noch einige Wochen dauern, und wenn die Analyse keine ...«
»Nein«, unterbrach ihn John und schüttelte den Kopf. »Es ist Zeit, dass ich aufhöre und in Ruhestand gehe.«
Sam und Gerry starrten ihn nur an. Schließlich sagte Sam: »Sie sind einer unserer wichtigsten Mitarbeiter, John.«
Clark seufzte. »Das war ich. Dieser Hurensohn Walentin Kowalenko und seine Handlanger haben dem ein Ende gemacht.«
»Unsinn. Sie stecken immer noch die meisten Agenten des National Clandestine Service in Langley in die Tasche.«
»Danke, Gerry, aber ich kann nur hoffen, dass die CIA nur solche paramilitärischen Einsatzagenten beschäftigt, die eine Waffe mit ihrer dominanten Hand bedienen können, wenn dies nötig werden sollte. Genau das kann ich im Moment jedoch nicht.«
Weder Gerry noch Sam hatten diesem Argument etwas entgegenzusetzen.
»Es ist ja auch nicht nur die Hand«, fuhr Clark fort. »Meine Deckung ist doch durch die vielen Presseberichte, die über mich im letzten Jahr erschienen sind, weitgehend aufgeflogen. Sicher, im Moment ist es ruhiger geworden. Die meisten Medien haben den Schwanz eingezogen, als herauskam, dass sie vom russischen Geheimdienst manipuliert worden waren und unwissentlich für ihn Propagandaarbeit geleistet haben, aber ganz ausgestanden wird das niemals sein, Gerry. Es braucht doch nur einen hartnäckigen Reporter, der in der Saure-Gurken-Zeit einen von diesen ›Was macht eigentlich‹-Artikeln
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