Gefallene Sonnen
bereit. Das energetische Niveau der Triebwerke der Rammschiffe hatte schon beinahe das Maximum erreicht – nach kurzen Beschleunigungsphasen konnte es leicht zu Überladungen kommen. Ihr bevorstehendes Ende schien die Soldaten-Kompis nicht weiter zu stören. Das galt auch für EA, obgleich Tasia das Zuhörer-Modell mit sich in die Rettungskapsel nehmen wollte.
Die Provokationen funktionierten viel schneller, als sie gehofft hatten. Zahlreiche wie mit Dornen besetzte Kugelschiffe kamen aus den Tiefen des Gasriesen, als hätten sie dort unten gewartet. Als Tasia die Geschwindigkeit der koordinierten Reaktion sah, ging ihr ein sonderbarer Gedanke durch den Kopf. Als wenn sie gewusst hätten, dass wir kommen. Haben die Droger die Himmelsmine der Hanse angegriffen, um uns hierher zu locken?
Eine Kugel nach der anderen erschien, wie aufsteigende Blasen in einem Topf mit kochendem Wasser. Ihre Anzahl verblüffte Tasia. »Zählt sie! Ich will wissen, mit wie vielen Gegnern wir es zu tun haben.«
»Bisher sind es achtundsiebzig Kugelschiffe der Hydroger«, antwortete einer der Soldaten-Kompis.
»Beim Leitstern, wir haben nicht genug…« Tasia unterbrach sich. »Wir werden es ihnen trotzdem zeigen!«
Von der Brücke seines Rammschiffs aus rief Tom Christensen frech und dumm: »Euch erwartet eine Überraschung, ihr Mistkerle!«
Die Soldaten-Kompis blieben pflichtbewusst an ihren Stationen. EA blickte starr geradeaus. Tasia schätzte, dass es etwa zehn Sekunden dauerte, in die Rettungskapsel zu gelangen und sie zu starten.
Der Kommandeur der ildiranischen Solaren Marine war bei einem ähnlichen Angriff ums Leben gekommen, als er neunundvierzig Kriegsschiffe auf Kollisionskurs mit den Hydrogern gesteuert hatte. Tasias Rammflotte würde den Fremden einen ähnlich schweren Schlag versetzen.
Das hoffte sie wenigstens.
Weitere Kugelschiffe stiegen auf und bildeten eine überwältigende Streitmacht. Tasia bedachte EA mit einem letzten Blick und biss dann die Zähne zusammen.
»Nicht jeder bekommt die Chance, seinen Namen Eingang in die Geschichtsbücher finden zu lassen«, sagte sie. »Auf Rammgeschwindigkeit vorbereiten!«
101 OSIRA’H
Im Innern ihrer Kontaktkugel in den Tiefen von Qronha 3 fühlte sich Osira’h wie ein Geschöpf in einem exotischen Zoo. Durch die dicken Kristallplatten blickte sie auf die völlig fremdartige Welt der Hydroger.
Irgendwie war sie zum Mittler zwischen ihnen und dem Weisen Imperator geworden. Sie sollte keine Übereinkunft mit den Hydrogern treffen, sie nur dazu bringen, mit ihrem Vater zu sprechen. Trotzdem hoffte sie, ihnen die Erkenntnis zu vermitteln, dass ein Krieg nicht nötig war. Hydroger und »Felsbewohner« hatten keine gegensätzlichen Interessen und waren keine Rivalen beim Zugriff auf Ressourcen. Aber es gab auch keine Gemeinsamkeiten, kein gegenseitiges Verständnis… Es sei denn, Osira’h wurde zu einer Brücke.
Wie große Zinnsoldaten standen die Quecksilber-Gestalten vor ihr. Osira’h fühlte eine Vibration in ihren Gedanken, als versuchten die Hydroger, sie durch die Atmosphäre im Innern der Kontaktkugel zu erreichen. Osira’h senkte die Lider und besann sich auf ihre Fähigkeiten: die Telepathie, die sie von ihrer Mutter, der grünen Priesterin, geerbt hatte; die auf Dobro erlernten Fertigkeiten; das leise Prickeln des Thism ihres Vaters und die Liebe, die sie bei ihrer ersten Begegnung gespürt hatte.
Sie schob alle Zweifel und dunklen Gedanken beiseite, konzentrierte sich…
Kontakt. Als die Verbindung entstand, fühlte es sich an wie ein elektrischer Bogen, der von den Hydrogern zu Osira’h reichte. Kommunikation, eine offene Tür, der erste Schritt zu beiderseitigem Verstehen. Aber die Fremden waren so anders!
Ihr erster Impuls bestand darin, das eigene Selbst zu isolieren und sich vor der nicht menschlichen Präsenz zurückzuziehen, aber sie zwang sich, den Kontakt aufrechtzuerhalten. Osira’h ballte die kleinen Hände zu Fäusten. Es ging darum, die Konzepte der Hydroger mit den Vorstellungen der Ildiraner zu verbinden. Es musste eine gemeinsame Basis für Ausdrucksformen geschaffen werden. Vor Jahrtausenden war das den Klikiss-Robotern gelungen, und daran nahm sich Osira’h ein Beispiel.
Zwar gelang es ihr nicht sofort, Begriffe klar zu erkennen, aber ihr Verständnis wuchs schnell – schneller, als die Hydroger ahnten, hoffte sie. Sie berührte die vagen, fast völlig unbegreiflichen Gedanken der Fremden und merkte, dass die Hydroger aufgeregt
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