Gefallene Sonnen
Alle schienen voll bewaffnet zu sein. Kellum suchte in seinem großen Repertoire nach einem angemessenen Fluch.
Das Gesicht einer älteren Frau erschien auf dem Kom-Schirm. Ihre Augen blickten streng und durchdringend, und die Stimme klang scharf. »Hier spricht Maureen Fitzpatrick, die frühere Vorsitzende der Terranischen Hanse. Würde mir bitte jemand erklären, was zum Teufel hier los ist?«
111 MAUREEN FITZPATRICK
Mit ihrem Einfluss als frühere Vorsitzende der Hanse hatte Maureen Fitzpatrick innerhalb kurzer Zeit eine Gedenkexpedition nach Osquivel zusammengestellt. Sie wollte etwas für ihren gefallenen Enkel tun, und natürlich auch für die anderen Opfer der Schlacht.
Maureen hatte sich einen alten Manta-Kreuzer beschafft, der noch nicht außer Dienst gestellt worden war, obwohl Waffen und Panzerung nicht dem aktuellen Standard genügten. Zusammen mit einigen diplomatischen Schiffen und älteren Offizieren, die nicht darauf brannten, in den Kampf zu ziehen, war sie zu einer eindrucksvollen – und medienwirksamen – diplomatischen Mission aufgebrochen. Das Massaker von Osquivel durfte nicht in Vergessenheit geraten.
Ihre Berater und Designer hatten ein imposantes Monument vorgeschlagen, ein Zeichen für die tapferen TVF-Soldaten, die in der bisher schlimmsten Schlacht gegen die Hydroger gefallen waren. Bei dem Vorschlag, der Maureen am meisten gefiel, ging es darum, den Ringen des Planeten Spiegel hinzuzufügen, wodurch der Eindruck entstehen sollte, dass der Gasriese von einem Nimbus umgeben war. Wenn die erste Expedition zur Erde zurückkehrte, wollte Maureen Geld für ein derart atemberaubendes Denkmal sammeln.
Als sich die Schiffe nun dem Ort näherten, wo die Schlacht stattgefunden hatte, rief Maureen die Familienangehörigen auf die Brücke des Manta-Kreuzers – sie sollten den Ringplaneten sehen können, über dem ihre Söhne und Töchter gestorben waren. Conrad und Natalie Brindle standen steif neben ihr, gekleidet in TVF-Uniformen. Die übrigen Angehörigen beobachteten den Gasriesen mit Tränen in den Augen.
Als sich Einzelheiten in den Ringen des Planeten erkennen ließen, stellte Maureen verblüfft fest, dass es dort von Roamern wimmelte.
»Sie sind überall, Madam«, sagte der Captain des Manta. »Schiffe. Basen. Die Sensoren orten Schmelzer und Werften.«
»Ein Rattennest!«, stieß Maureen hervor. »Ich möchte mehr sehen.«
Der Captain rief Befehle. Es kam zu einer Vergrößerung der Darstellungen, und Maureen betrachtete Industrie- und Wohnkomplexe, Dutzende von Schiffen. Überall herrschte hektische Aktivität.
»Wie Aasgeier über dem Schlachtfeld«, ertönte Conrad Brindles tiefe Stimme. »Offenbar sind sie hierher gekommen, um die Wracks auszuschlachten.«
Natalie schloss die Hand fest um seinen Arm. »Das ist verachtenswert. Haben sie auch noch die Taschen der Toten leer geräumt?« Eine Welle aus Zorn und Abscheu erfasste die Familienangehörigen, die sich auf die Reise begeben hatten, um ihren Gefallenen die letzte Ehre zu erweisen.
Maureen, immer aufmerksam, bemerkte die hellen Punkte von Explosionen. »Dies ist keine gewöhnliche Aktivität. Etwas geschieht dort. Findet ein Kampf statt?«
»Wer kann das bei den Kakerlaken schon wissen, Madam?«, erwiderte der Captain.
Man hörte es Maureens Stimme an, dass sie daran gewöhnt war, Anweisungen zu erteilen. »Geben Sie mir Kommunikationskontrolle. Finden Sie heraus, welche Kanäle und Frequenzen die Roamer benutzen. Ich möchte mit jemandem reden und erfahren, was hier gespielt wird.«
Kurze Zeit später erklang die schroffe Stimme eines Mannes. »Hier spricht Del Kellum, Leiter der hiesigen Werften.
Wir stecken derzeit in einer Krise, Ma’am.« Er brummte einen Fluch und gab Befehle über einen anderen Kanal, bevor er sich wieder an Maureen wandte. »Um Ihre Frage zu beantworten, bevor Sie sie stellen… Ja, es gibt hier bei uns einige TVF-Überlebende, die wir aus den Wracks gerettet haben. Entweder helfen Sie uns, mit diesem Durcheinander fertig zu werden, oder Sie überlassen alles uns. Aber wie auch immer Sie entscheiden, derzeit habe ich keine Zeit für Sie!«
»Was erlaubt er sich?«, fragte Conrad Brindle.
»Überlebende?«, wiederholte jemand anders. »Es gibt Überlebende? Wir müssen ihre Namen herausfinden.«
»Alles zu seiner Zeit.« Maureen wandte sich der zentralen Brückenstation zu. Der Captain des Manta war der ranghöchste Offizier an Bord, aber er hätte es nicht gewagt, ihre Anweisungen
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