Gefangene der Leidenschaft
hatte, erreichte er mit anderen Mitteln sein Ziel.“
„Mit Gewalt vermutlich“, bemerkte Brenna bitter.
„Gewalt war nicht nötig, sondern Überzeugungskraft.“ Richard erzählte mit sichtlichem Vergnügen, wie sein Vater nachts ins Zimmer der schönen Schottin geklettert war, um sie für sich zu gewinnen. „Sie entbrannte in Liebe zu ihm, und am nächsten Morgen war es geschehen. Ihr Vater konnte nicht anders, als in die Heirat einwilligen. Kein Schotte hätte eine Frau geheiratet, die ihr Bett bereits mit einem Engländer geteilt hatte.“
Brenna sah Richard mit großen Augen an. „Und Eure Mutter hat nie ihren hastigen Entschluss bereut?“
„Bereut? Nein, Mädchen. Es gab kein glücklicheres Paar als meine Eltern. Sie haben sich innig geliebt, bis der Tod sie trennte.“
Brenna wurde nachdenklich. Sie musste an ihre Schwester Meredith denken, die ihr Herz einem Barbaren aus dem Hochland geschenkt hatte. Wie entsetzt war sie damals gewesen! Aber es ließ sich nicht leugnen, dass Meredith und Brice Campbell sich bedingungslos liebten. Unwillkürlich wanderten ihre Gedanken zu Morgan Grey. Und sie ertappte sich dabei, dass sie sich auf seine Rückkehr freute.
Nein, unmöglich. Sie freute sich nur auf die abendlichen scharfen Wortgefechte und kostete schon jetzt den Triumph aus, Morgan wie so oft einen schmerzlichen Hieb zu versetzen. Er hatte es verdient.
Brenna strich über die altrosa Seide des perlenbestickten Abendgewands. „Es ist wunderschön, Rosamunde. Wie vollbringt Ihr nur das Wunder, mich fast jeden Tag mit einem neuen Kleid zu überraschen?“
Die junge Frau lachte vergnügt. „Hinter dem Wunder steckt Mylord Grey, Mylady.“
„Welcher Lord Grey? Richard oder Morgan?“
„Lord Morgan Grey, Mylady. Er hat die Näherinnen angewiesen, all Euren Wünschen nachzukommen. Und da Ihr viel zu sehr eine Lady seid, um je um etwas zu bitten, tue ich es an Eurer Stelle!“
Brenna wunderte sich über Morgans Großzügigkeit. Und aus einem unerklärlichen Grund freute sie sich darüber. „Ich brauche nicht so viele kostbare Kleider. Ein schlichtes Gewand für den Tag genügt!“
„Mylady, Ihr verwendet viel zu viel Zeit auf den Haushalt und denkt nicht genug an Euch selbst. Eine so vornehme Lady wie Ihr braucht sich nicht um Küchenangelegenheiten und Hausarbeiten zu kümmern. Bald werdet Ihr die Frau eines reichen Edelmannes sein. Da solltet Ihr lieber an feine Kleider als an die Verschönerung von Greystone Abbey denken.“ Rosamundes Worte versetzten Brenna einen Stich, aber sie verscheuchte schnell den schmerzlichen Gedanken. Rosamunde hatte Recht. Was ging sie dieses vernachlässigte alte Anwesen an? Was kümmerten sie seine Bewohner? Waren sie nicht schließlich und endlich verhasste Engländer?
„Ich habe bemerkt, dass Mistress Leems all die Arbeiten nicht allein schafft. Mir scheint, dass sie über meine Hilfe sehr froh ist.“
„Oh ja. Das hat sie schon überall erzählt. Sie meint, dass sie ohne Euch gar nicht mehr auskommt.“
Brenna tat, als hätte sie das Lob nicht gehört. „Ich bin nur froh, dass ich etwas zu tun habe. So vergeht die Zeit schneller.“ Sie stand auf, nachdem Rosamunde das letzte Seidenband in ihr Haar geflochten und das Mieder ihres Kleides geschlossen hatte. „Danke, Rosamunde. Wenn Ihr bei mir seid, muss ich immer an meine Kinderfrau Morna denken. Sie ist jetzt alt und schon etwas gebrechlich, aber noch immer umgibt sie mich mit derselben Fürsorge wie früher. Morna ist ein Schatz, genau wie Ihr.“ Die junge Dienerin war einen Moment lang überwältigt. Noch nie hatte jemand ihr für ihre Dienste gedankt. Für die Adligen war es selbstverständlich, bedient und umsorgt zu werden. „Danke, Mylady“, murmelte sie gerührt. „Ich ... ich bin auch Eure Freundin, wenn Ihr meine Freundschaft annehmen wollt ...“
„Dafür bin ich Euch dankbar, Rosamunde. Eine Freundin kann ich brauchen.“
Beide Frauen blickten auf, als sie von draußen Schritte hörten. Rosamunde öffnete die Tür und stieß beinahe mit Morgan zusammen. Er blieb im Eingang stehen und heftete den Blick auf die Erscheinung in dem Seidengewand. „Mir scheint, dass
die Näherinnen aus dem Dorf ihren Lohn wert sind.“
Brenna wusste, dass seine Worte ein Kompliment sein sollten, und das Blut schoss ihr in die Wangen. Sie durchquerte den Raum und ergriff Morgans ausgestreckte Hand. „Ihr seid zu großzügig, Mylord. Ich brauche diese feinen Kleider nicht!“ „Da Ihr durch meine
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