Gefangene der Leidenschaft
Schuld keine Kleider besitzt, bin ich für Eure Garderobe verantwortlich. Es ist das Mindeste, was ich tun kann, nicht wahr?“
Sie blickte ihn überrascht von der Seite an, als er sie die Treppe hinabführte. „Mistress Leems kann sich vor Lob über Eure Tüchtigkeit im Haushalt nicht fassen.“
Auf dem Weg zum Speiseraum fiel Morgan auf, wie hell die Steinböden der Flure glänzten. Auch die rußgeschwärzten Paneele des Speiseraums waren gescheuert und die stumpfen und zerkratzten Holztische frisch poliert. Aus dem gereinigten Kamin quoll kein beißender Rauch mehr in den Raum.
Es schien Morgan, als wäre Greystone Abbey aus einem tiefen Schlaf erwacht. Er hatte respektvolle und bewundernde Bemerkungen über die Lady aus Schottland fallen hören. Offenbar führte sie ein strenges Regiment, doch sie ordnete nichts an, was sie nicht auch selbst getan hätte. Brenna hatte überall tatkräftig mitgearbeitet.
„Habt Ihr Euren Haushalt in Schottland genauso gewissenhaft betreut, Mylady?“
„Ja. “ Der Gedanke an ihr Zuhause schmerzte. „Meine Schwestern verabscheuten Frauenarbeit und übten sich lieber mit Vaters Männern im Waffenhandwerk.“
„Ihr habt bewiesen, dass Ihr auch mit einem Dolch umgehen könnt, Mylady.“
Brenna verzog keine Miene. „Ja. Und hätte ich einen Degen, dann könnte ich Euch beweisen, dass ich so manchem Eurer Soldaten überlegen wäre. Außer Brotbacken, Sticken und Nähen habe ich auch das Fechten gelernt. All das gehörte zu unserer Erziehung!“
„Hör dir das an, Bruder. Eine ziemlich seltene Kombination. “ Richard saß schon am Tisch und lächelte Brenna zu. „Wenn sich das herumspricht, werden Eure Heiratschancen sprunghaft wachsen!“
Brenna senkte errötend den Kopf und sah Morgans ärgerlichen Ausdruck nicht. Richard aber musterte ihn aufmerksam und zog seine Schlüsse. Soso, dachte er, Morgan ist also nicht so erpicht darauf, die Lady loszuwerden, wie er vorgibt. Er nahm sich vor, seinen starrköpfigen Bruder von jetzt an etwas genauer zu beobachten.
Als das Abendessen serviert wurde, begannen die Brüder mit der gewohnten Hingabe zu essen. Über ihren Teller gebeugt, beobachtete Brenna sie gespannt.
„Was habt Ihr mit diesem Rehbraten gemacht, Mistress Leems?“ rief Morgan und wischte sich den Mund.
„Ich habe das Wild diesmal anders zubereitet, Mylord. Schmeckt es Euch nicht?“
„Im Gegenteil. So gut ist es Euch noch nie gelungen.“
Die Haushälterin warf Brenna einen scheuen Blick zu. „Die Lady hat mir beschrieben, wie sie bei sich zu Hause das Wild zubereitet. Ich habe ihr Rezept ausprobiert.“
Morgan sah Brenna von der Seite an und aß weiter.
„Auch das Brot schmeckt anders. Besser“, stellte Richard fest.
„Das Brot hat Lady Brenna gebacken. Sie hat der Köchin auch gezeigt, wie man diese dicke süße Sahne herstellt.“ „Vorzüglich! “ Richard kostete eine andere Speise. „Und was ist das?“
„Ein mit Brandy getränkter Pudding. Schmeckt er Euch, Mylord?“
„Das kann man wohl sagen.“ Richard ließ sich seinen Teller nachfüllen und genoss jeden Bissen. „Warum habt Ihr das bisher noch nie zubereitet, Mistress Leems?“
Die Haushälterin lächelte verlegen. „Es ist ein Rezept von Lady Brenna, Mylord.“
„Diese Köstlichkeit ist also auch Euer Verdienst?“ wandte Richard sich an Brenna.
„Es war das Lieblingsgericht meines Vaters.“
„Das kann ich verstehen.“ Richard bediente sich zum dritten Mal, und auch Morgan füllte sich seinen Teller von neuem. „Gibt es irgendetwas, was Ihr nicht könnt, Mädchen?“
Brenna konnte ihre Freude nicht verbergen. „Es freut mich, dass Ihr die Mahlzeit so genossen habt, Richard.“
„Und du, Morgan?“ Richard blickte über den Tisch. „Mir scheint, dass du enorme Mengen verdrückt hast.“
„Wenn ich noch Platz hätte, würde ich noch mehr essen.“ Er drehte sich zu Brenna um. „Ich glaube, es hat mir noch nie so gut geschmeckt.“
Brenna verließ den Speisesaal in einem Hochgefühl. Sie konnte sich nicht erklären, warum, und seit wann ihr so wichtig war, was dieser Engländer dachte. Tatsache war, dass sie während der ganzen Mahlzeit den Atem angehalten und gehofft hatte, dass Morgan sich über die Veränderungen des Speisezettels nicht ärgern würde.
Vor der Tür zur Bibliothek hielt Morgan Richards Rollstuhl an. „Wie ist es - noch ein Ale und eine Partie Schach, Richard?“ Richard unterdrückte ein Gähnen. „Ich denke, ich ziehe mich zurück, Morgan.
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