Gefangene der Leidenschaft
fragte Richard besorgt.
„Die Lady hat keinen Appetit.“ Morgan stürzte sein Ale hinunter. „Wer Mistress Leems’ Küche verschmäht, muss krank sein. Seid Ihr unwohl, Mylady?“
„Nein. Wie Euer Bruder schon sagte, habe ich keinen Appetit.“ Nicht auf englische Speisen und erst recht nicht auf englische Manieren, fügte sie in Gedanken hinzu.
Richard lächelte ihr zu. „Vielleicht sind Euch unsere'Speisen fremd? Sagt Mistress Leems, was sie heute Abend für Euch zubereiten soll. Eine tapfere Kriegerin wie Ihr muss essen, wenn sie bei Kräften bleiben will!“ Er grinste. „Wie wollt Ihr Euch sonst gegen englische Barbaren verteidigen, die Euch über die schottische Heide nachjagen?“
Brenna blickte überrascht auf und sah, wie es um Morgans Mundwinkel zuckte. Offensichtlich hatte er seinen Bruder in alles eingeweiht, und Richards ironischer Spott schien ihn nicht zu stören.
„Es muss ziemlich verwirrend sein, einer Frau im Kampf gegenüberzustehen“, fuhr Richard fort.
„Ja“, pflichtete Morgan ihm augenzwinkernd bei. „Man weiß nicht, ob man sie mit Gewalt oder mit... anderen Mitteln ent-waffnen soll
Brenna errötete, als sie an das Handgemenge mit Morgan dachte. Sie wechselte schnell das Thema und stellte eine Frage, die sie schon lange beschäftigte. „Wie kommt es, Richard, dass Morgan und Ihr Soldaten geworden seid? Ist solch eine Wahl für Männer von Adel und Wohlstand nicht ungewöhnlich?“ „Das ist richtig. Aber Morgan und ich schlossen als junge Männer einen Pakt“, erklärte Richard. Er genoss die Unterhaltung mit dieser bezaubernden jungen Frau. Im Gegensatz zu den Frauen am Hof schien sie sich ernsthaft für die Menschen um sie her zu interessieren. Sie war nicht nur atemberaubend schön, sondern auch klug - eine seltene Kombination. „Wir sind seit unserer Jugend mit Elizabeth befreundet, und als sie den Thron bestieg, stellten wir uns in ihren Dienst! “
„Aber warum als Soldaten?“
„Weil wir das Abenteuer dem faden Leben am Hof vorzogen, wo es keine aufregenderen Herausforderungen für Männer gibt als gelegentliche Wetten über einen mutmaßlichen Heiratskandidaten für die Königin.“
„Gibt es denn so viele Anwärter?“
Richard lachte. „Soll ich sie Euch alle aufzählen? Die Liste der Bewerber ist ellenlang, angefangen bei den Königen von Spanien und Schweden bis hin zu etlichen englischen Adligen. Immerhin herrscht Elizabeth über das mächtigste Königreich der Welt.“
„Warum hat sie noch nicht geheiratet, wenn so viele Männer um sie werben?“
„Weil sie selbst über ihr Geschick entscheiden will. Elizabeth will keinen Mann, den sie nicht liebt. Obwohl ihre Berater sie ständig bedrängen.“
„Wie gut ich sie verstehe“, seufzte Brenna. Wieder keimte Hoffnung in ihr auf, dass sie in der Königin eine verständnisvolle Gleichgesinnte hatte.
Es klopfte an der Tür, und Rosamunde trat ein, gefolgt von zwei jungen Dienerinnen. „Mylady“, sagte sie herzlich und nahm den Mädchen die Kleider ab, die sie über den Armen trugen. „Dies sind die Gewänder, die Mistress Leems auf Lord Greys Wunsch hin beschafft hat. Ihr müsst damit vorlieb neh-men, bis unsere Näherin etwas Besseres für Euch angefertigt hat!“
Brenna lächelte Richard dankbar zu. „Habt Dank für Eure Freundlichkeit, Mylord.“
„Ihr dankt dem falschen Lord Grey. Es war mein Bruder, der sich Gedanken über Eure Garderobe gemacht hat.“
Brenna errötete und wandte sich Morgan zu. „Danke, Mylord.“
Ein Lächeln flackerte in Morgans Augen auf, aber seine Miene blieb unbewegt. „Keine Ursache, Mylady.“
Brenna stand am Fenster und blickte zu den fernen nebelverhangenen Hügeln. Viele Tagesritte entfernt lag die schottische Grenze. Ob es möglich war, unbemerkt von den Wachen im Schutz der Dunkelheit zu fliehen? Und was wäre dann? Würde sich ein mitfühlender Bauer finden, der sie vor ihren Verfolgern versteckte? Eine unsinnige Hoffnung. Sicher würde die Königin einen Preis auf ihren Kopf aussetzen, und niemand wäre so dumm, sich aus Mitgefühl einen Batzen Gold entgehen zu lassen.
„Schon wieder Fluchtgedanken, Mylady?“
Sie fuhr herum und sah Morgan an der Tür stehen. Das Blut schoss ihr in den Kopf. Konnte der Mann ihre Gedanken lesen?
Er schnallte sich sein Schwert um, und jetzt sah Brenna, dass er seine Reitkleidung trug. „Schmiedet Pläne, so viel Ihr wollt. Ein Fluchtversuch, und Ihr werdet Eure Strafe bekommen. Meine Männer haben ihre
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