Gefangene der Welten
hassen die Na’kaan und wünschen sich den Frieden. Doch die Angst vor einer Untersuchung ist groß und die meisten der Ansässigen haben Frau und Kind daheim.“
Erneut betrachtete er die Klinge des Dolches in seiner Hand und sein Daumen strich liebevoll über den mit kleinen Edelsteinen besetzten Schaft. Dann sah er Jack an. Klar ruhten seine Augen auf dem fremden Besucher. „Niemand stirbt gerne – erst recht nicht für einen Anhänger der Na’kaan.“
„Aber man kann doch nicht einfach zulassen, dass diese…“, Jack fehlten die Worte angesichts der Verärgerung, die er verspürte, „diese Schweine wehrlose Menschen entführen und als Sklaven verkaufen!“ Ein Lächeln huschte über Richards Gesicht. „Du hast das Herz am rechten Fleck, Junge. Die Gesetze verbieten Sklavenhandel, doch die Nachfrage nach billigen Arbeitskräften ist groß. Daher fällt so etwas nur in den seltensten Fällen auf. Die Menschen wollen möglichst wenig mit den Na’kaan zu schaffen haben und diejenigen, die mutig genug sind und ihnen das Handwerk zu legen versuchen, sterben entweder eines unglücklichen Todes, als dass sie Erfolge verzeichnen könnten, oder die Angeklagten sind längst zurück auf ihrem Land.“
Ungläubig schüttelte Jack seinen Kopf. Er konnte sich nicht vorstellen, dass solch eine Barbarei möglich war.
„Die Na’kaan haben überall Spione. Man kann nie sicher sein, ob man nicht doch einem Na’kaan gegenübersteht, wenn man mit einem der Gesetzeshüter spricht.“ Richard zuckte kurz mit den Schultern und fuhr fort: „Sie sind Barbaren. Selbst unter ihnen herrscht nur der Stärkste. Wird der Herrscher einmal im Kampf herausgefordert und verliert, so ist fortan der Sieger neuer Führer des Volkes. Sie sind hinterhältig, verschlagen und denken nur an sich. Das gilt sowohl für die Männer, als auch für ihre Weiber. Selbst die Kinder saugen diese Eigenschaften schon mit der Muttermilch auf!“ Richard endete schließlich murmelnd: „Einer ist schlimmer, wie der andere. Du kannst niemandem trauen.“
Der Donner grollte leise und ein plötzlicher Windstoß trieb tote Blätter von draußen in die Höhle hinein. Jack stellten sich die Haare auf, als er den Tonfall in Richards Stimme vernahm, der ebenso von Tod und Verderben sprach, wie das tote Laub am Eingang der Höhle. Plötzlich sah Richard ihn wieder an und Ruhe war in seinem Blick zurückgekehrt. „Wir sollten zusehen, dass wir noch etwas Schlaf bekommen, ehe die Sonne wieder aufgeht.“ Jack nickte und zog die Decke über sich. An Schlaf war jedoch kaum zu denken. Er starrte an die Decke der Höhle, die nicht mehr war, als eine undurchsichtige schwarze Masse, und dachte über das Gesagte nach.
Wenn diese Menschen auf diese Prophezeiung vertrauten…und sie fest daran glaubten, dass Sydney die war, für die sie sie hielten… Jack fuhr sich mit der flachen Hand durchs Gesicht und schluckte die aufsteigende Angst herunter. Diese Menschen hatten bereits aufgegeben – zumindest nach außen hin. Diese Prophezeiung und Sydneys Auftauchen waren die einzige Hoffnung, die sie hatten. Vermutlich würden sie diese Hoffnung bis aufs Äußerste verteidigen, überlegte er weiter. Welche Absichten verfolgte dann aber Richard, wenn er Jack zu Sydney brachte?
17.
Träge öffnete Sydney die Augen. Die Sonne war bereits aufgegangen. Nachdem Damian am Abend zuvor das Zimmer verlassen hatte, hatte sie noch eine ganze Weile wachgelegen und sowohl über Damian und dieses Gerede, dass sie die Auserwählte sei, als auch über ihre Flucht und ihre Rückkehr zu Jack und ihrem Vater nachgedacht. Lange Zeit hatten ihre Gedanken sie wachgehalten.
Es hatte bereits tiefste Dunkelheit geherrscht und der Mond stand hoch oben am nächtlichen Himmel, als ihr die Augen endlich zufielen. Immer wieder war sie aufgewacht und fand mit jedem Mal schwerer in den Schlaf zurück.
Der Gedanke, dass sie einer Hochzeit mit Damian immer näherkam, machte sie schier verrückt. Angespannt warf sie die dicken Decken von sich und stand auf. Sie ließ den Blick durch das Zimmer schweifen und fluchte leise. Maria hatte die Jeans mitsamt ihrem Pullover mitgenommen. Dabei war es bloß eine Sekunde gewesen, die Sydney nicht aufgepasst hatte. Ob man bereits ahnte, was sie vorhatte? Doch wie sollte man? Es gab keinerlei Hinweise darauf, dass sie fliehen würde. Ihr Blick fiel auf die Kleidung, welche über die Truhe gebreitet lag und ohne weiteres Zögern schlüpfte sie in das grüne Samtkleid
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