Gefangene des Meeres
griff Haynor in den Kampf ein, entblößte seine Zähne und versuchte Helltag hinter der Rückenflosse zu fassen. Einer der zum Beruf des Heilers bestimmten Zöglinge hatte ihm verraten, daß es dort einen neuralgischen Punkt gebe, der, wurde er von einem Biß oder einem massiven Schlag getroffen, zeitweilige Lähmungserscheinungen und Bewußtlosigkeit auslöse. Haynor fand die Stelle, aber als er Druck anwenden wollte, fuhr Helltag plötzlich herum und schnappte nach seinem neuen Angreifer. Haynors Zähne durchbohrten die Haut des Kapitäns und rissen eine tiefe Wunde.
Helltag schlug wie rasend um sich, verkrümmte seinen Körper zu einem physisch nahezu unmöglichen Knoten und starb.
Weil er angehender Ingenieur und als solcher kein vielversprechendes Talent war, hatte Haynor wenig Kenntnis von der Verantwortung, die auf dem Kommandanten des Flaggschiffes lastete. Aber er hatte verhindert, daß Helltag den alternden Ingenieur tötete und in der Flotte noch größeren Schaden anrichtete, und so wählte man Haynor aus rein emotionellen Gründen zum neuen Kapitän. Trotz seiner durchschnittlichen Fähigkeiten wurde Haynor ein sehr guter Kapitän. Während seiner Regierungszeit gelang es, die Kurse jener Schiffe zu korrigieren, die Helltag in die Irre geleitet hatte – eine Arbeit, die annähernd zwei Dekaden Zeit und eine Fülle kompliziertester Berechnungen erforderte. Sogar der große Gerrol wäre auf eine solche Leistung stolz gewesen.
Die Ernennung Haynors, so gut und richtig sie in diesem Zusammenhang gewesen sein mochte, schuf einen gefährlichen Präzedenzfall: die Beförderung außerhalb des vorgesehenen Qualifikationsschemas. Die Beförderung auf Grund psychologischer und persönlicher Faktoren, statt auf Grund von Leistungen und technischen Fähigkeiten. Und die Lösung von Problemen durch Anwendung physischer Gewalt.
An Bord des Flaggschiffes war der Bürgerkrieg nicht mehr fern.
*
Von den schwitzenden Schotten in Nummer eins bis zur Leiter des Kommandanten in Nummer zwölf und von Richards Loch in den Bilgen zu Richards Räumen unter dem Achteraufbau braute sich ein philosophischer Krieg zusammen. Auf der einen Seite standen die alten Leute und die Mehrheit der Frauen, die allesamt glaubten, daß das vom Spiel überlieferte Wissen auf Tatsachen beruhe, soliden, unveränderlichen Tatsachen von der gleichen Wirklichkeit wie etwa die ersten gestammelten Worte des eigenen Kindes. Einige dieser Leute waren in ihrem Glauben so fanatisch, daß sie überlieferte Romane und Erzählungen mit dem reinen Tatsachenwissen vermengten. Aber die andere Seite verfiel ins entgegengesetzte Extrem und begegnete allem Überlieferten mit ebenso fanatischem Zynismus. Irgendwo in der Mitte zwischen diesen beiden Gruppen stand Dr. Kimball Bush Dickson.
Neutralität war seine Berufspflicht, aber sie wurde auch durch die Tatsache bestärkt, daß er in Angelegenheiten außerhalb seines Berufs sehr leicht zu beeinflussen war.
Im Augenblick war der Doktor jedoch allein, und seine Ansichten waren seine eigenen. Während er durch die völlige Dunkelheit der mittschiffs gelegenen Tanks schritt, sagte er sich, daß sie alle besser beraten wären, wenn sie sich Gedanken um die wachsende Korrosion und Feuchtigkeit in den Tanks machen würden, um die steigende Zahl der mechanischen und elektrischen Pannen und um das Dahinschwinden der Vorräte an Lebensmitteln, Glühbirnen und für die Bekleidung geeignetem Material. Doch wenn er gerecht sein wollte, mußte er zugeben, daß manche sich über diese Dinge die Köpfe zerbrachen, namentlich unter den jüngeren Leuten, und öfters versuchten, diese Probleme anzupacken. Das Dumme war, daß ihr Zynismus auch vor den mutmaßlichen Auswirkungen des äußeren Wasserdrucks und vor dem Phänomen des elektrischen Stroms nicht haltmachte. Immer wieder kam es zu Kurzschlüssen, und besonders im Winter war die Luft so feucht, daß es selbst nach der Arbeit an einem der Generatoren schwierig war, länger als eine halbe Stunde warm zu bleiben. So war es nicht verwunderlich, daß die Zahl der durch Erkrankungen der Atemwege verursachten Todesfälle namentlich bei den Alten und den sehr Jungen besorgniserregend hoch war. Vielleicht ließe sich etwas erreichen, wenn sie alle ein wenig mehr aufeinander hörten oder bei der Lösung dieser Probleme zusammenarbeiteten. Aber vielleicht auch nicht.
Er sah sich außerstande, die Gründe für die Aufspaltung zu verstehen. Es war nicht einfach so, daß
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