Gefesselte Lust
Artikel?«
Nun zeigt sich die gleiche Verwirrung auch in Jonahs Gesicht. »Der Artikel zu Marcus’ Machenschaften. Er hat sein Vermögen damit gemacht, dass er Betriebe wie den deines Vaters betrogen hat. Mit diesem Geld hat er sich sein neues Leben und unter anderem auch B-Touch aufgebaut. Es ist ein Riesenskandal, aber wenn das jemals publik wird, wird die Sache auch das Magazin lahmlegen. Die gesamte Redaktion könnte mit einem Schlag arbeitslos werden.«
»Du willst das jetzt also Marcus anhängen?«, frage ich wütend. Jonah sieht aus, als habe ihn ein Schlag getroffen. »Du bist derjenige, der mit meinen Gefühlen gespielt hat, du bist derjenige, der mich aus heiterem Himmel rausgeworfen hat, weil ich ihm meine Gefühle gestanden habe, und ich wette, dass du es mit Ina genauso gemacht hast.« Ich werde laut, und es ist mir egal, wer mich möglicherweise noch hört. Meinetwegen soll es die ganze Welt hören. »Marcus ist der einzige Mensch in dieser verdammten Stadt, der es ehrlich mit mir gemeint hat. Er war für mich da und hat mir zugehört.«
»Marcus?!« Jonah wirkt ungläubig. »Und woher weißt du von Ina?«
»Das spielt keine Rolle.«
Jonah verschränkt die Arme vor der Brust »Es spielt sehr wohl eine Rolle. Zu deiner Information: Ina hat mich verlassen, nicht umgekehrt. Und der Grund dafür war dein sauberer Freund Marcus, der sie kurz vor der Hochzeit verführt hatte. Was deine Entlassung angeht …« Er scheint regelrecht in sich zusammenzusacken. Zögernd kommt er näher. »Helena, es tut mir leid. Ich habe überreagiert, aber dein Geständnis … Ich hatte es mir gewünscht, ich hätte alles dafür gegeben, aber ich wusste, dass ich dir wehtun würde. Deswegen die Kündigung.« Er rauft sich die Haare und sieht sich unruhig im Büro um. »Mir war schon nach der ersten Nacht klar, dass du mehr, viel mehr als all diese Frauen auf den Bildern für mich bist. Ich wollte es mir nur nicht eingestehen. Aber ich konnte es nicht leugnen. Du gingst mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Alles, woran ich denken konnte, warst du. Deshalb wollte ich es beenden, bevor ich Gefahr laufe, wieder etwas für eine Frau zu empfinden. Nach Ina … Es war zu schmerzhaft. Ich wollte nie wieder so sehr verletzt werden. Aber dann kamst du und hast mich aus meiner Isolation geholt.« Er hebt den Blick, und seine blauen Augen schimmern dunkel. »Ich wollte es nicht wahrhaben, aber ich liebe dich auch, Helena. Mehr, als ich jemals zuvor einen Menschen geliebt habe.«
Fassungslos starre ich ihn an. In meinem Kopf herrscht eine große Leere, und ich kann beim besten Willen nicht antworten. Noch vor wenigen Tagen wäre ich über dieses Liebesgeständnis vor Freude fast ohnmächtig geworden. Doch in den letzten Tagen hat sich vieles verändert. Mein Vertrauen in diesen Mann ist erschüttert.
Ich schüttle den Kopf. »Wie soll ich dir das noch glauben? Wie soll ich dir noch irgendetwas glauben? Du hast mich belogen und mir sogar meinen Job genommen. Was beweist mir, dass du nicht doch hinter dem Bankrott all dieser Firmen steckst? Nein, ich denke, du hast mir nur ein weiteres Lügenmärchen aufgetischt – aber ich will nicht mehr belogen werden.« Es schnürt mir die Kehle zu. »Leb wohl, Jonah.«
Ich wende mich ab und verlasse die Redaktion endgültig.
In den kommenden Tagen wird meine Wohnung zu meiner Zuflucht. Ich gehe kaum vor die Tür und vergrabe mich auf meiner Couch. Allein der Fernseher, viele Decken und noch mehr Becher Eis sind meine Begleiter.
Ich hätte auf mein Bauchgefühl hören und diese verdammte Stadt nie wieder betreten sollen. Ich hätte mich niemals auf diesen blauäugigen Mistkerl einlassen sollen. Ich hätte ihm nicht ein Wort glauben sollen von dem, was er mir vorgelogen hat.
Meine eigene Dummheit schmerzt mich fast körperlich, aber das ist eine Strafe, die mir nur zu recht geschieht.
Vertrau mir, hat er gesagt. Und wie das dümmste Milchmädchen vom Land habe ich genau das getan. Wohin es mich geführt hat, habe ich ja gesehen.
Über den Bildschirm meines Fernsehers flackert irgendeine Serie, aber ich bin tränenblind und sehe ohnehin kaum etwas. Man sollte meinen, dass ein Mensch irgendwann nicht mehr imstande ist zu weinen, aber mein Körper belehrt mich eines besseren. Das Schlimmste ist, dass ich nicht einmal jetzt, nachdem ich endlich alles über Jonah Winters falsches Spiel herausgefunden habe, in der Lage bin, ihn zu hassen. Ich will ihn niemals wiedersehen, doch in jeder Nacht
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