Geflüster auf Burg Schreckenstein
mir Trompete üben, weil er in unsere Band kommt…“
„Das ist allerdings sehr wichtig!“ Amanda lächelte vielsagend. „Bring ihm nur alles bei, euer ganzes Repertoire!“ fuhr sie fort. „Je besser er spielt, um so öfter kann er dich beim nächsten Fest vertreten, und wir können miteinander tanzen.“
„Ach so meinst du das!“ Andi lächelte ihr zu. „Hast du auch was abgesagt, meinetwegen?“
Sie schüttelte ihr dunkles Haar, daß er ihr Gesicht nicht mehr sah. „Ich hab’s nur Beatrix gesagt…“
„Wozu denn das?“
„Beatrix hat die besten Ausreden, falls mich jemand sucht oder so. Aber jetzt laß uns nicht dauernd von den andern reden, wo wir endlich mal für uns sind.“ Die Kellnerin brachte die Getränke. Amanda nahm einen Schluck. „Das machen wir jetzt öfter.“
Andi drehte sein Glas und sah nachdenklich vor sich hin. „Ausgerechnet Beatrix…!“
„Was stört dich an ihr?“ zischte Amanda.
„Ihr Giftzahn.“ Andi tat einen langen Zug aus seinem Glas. „Du weißt doch, Stephan und sie… Bei ihm hat es eine Interessenverlagerung gegeben…“
Sie winkte ab. „Ach, das meinst du!“
„Gestern ist Stephan in der Teepause losgesegelt, um Anke zu treffen. Mitten auf dem See.“
„Bekannt!“ bestätigte Amanda. „Beatrix stand mit dem Fernglas am Fenster. Sie hat zwar nichts gesagt, sich aber ganz schön Schmelz von den Zähnen geknirscht…“
Der Ritter nickte vor sich hin, wie ein abgeklärter Hellseher. „Eben.“
Auf Schreckenstein verlief der Tag in gewohnter Weise. Vormittags Unterricht, während der Schweigezeit am Ende des Mittagessens Ansage des Programms durch Schulkapitän Ottokar, sei dies Mannschaftssport, Leichtathletiktraining, Arbeit im Gemüsegarten oder auf dem Feld, Reparaturen in und an der Burg, Duschen, Umziehen, Teepause, zwei Stunden Schularbeiten in den Zimmern, Abendessen, danach freie Zeit bis zum Schlafengehen.
Hier gab es auch Verpflichtungen. Da übte die Horror-Rock-Band für den nächsten Tanzabend. Hans-Jürgen Flöte, Stephan Ackordeon, Ottokar Schlagzeug, Musterschüler Strehlau Klavier, Sportlehrer Rolle Baß, Andi und jetzt auch Florian Trompete. Da zerbrachen sich in einer Fensternische die vier Mini-Ritter die Köpfe, um endlich den größten Streich aller Zeiten zu machen. Da versammelte sich der Ritterrat in der Folterkammer und besprach alles, was für das Zusammenleben wichtig erschien.
Zur Zeit gab es nur ein Thema: Florian. Kaum ein Ritter, dem er nicht insgeheim imponierte. Sei es als 400-MeterLäufer, als Trompeter, als uneigennütziger Kamerad — Florian paßte von Anfang an in die verschworene Gemeinschaft wie nie ein Neuer zuvor.
Dampfwalze lag wie immer auf der Streckbank. In der Horizontalen versprach er sich bessere Einfälle als bei aufrechter Haltung, wo die Erdanziehungskraft das Aufsteigen von Ideen behindert. „Der Mann ist überhaupt kein Angeber, kein Rechthaber oder Besserwisser. Vorhin, als ich reinkam, saß er auf dem Richtertisch und hat sich in der Schulchronik informiert. Er übt Ritterlichkeit…“
„Und er ist hilfsbereit“, fuhr Andi fort, an den Stock mit den Daumenschrauben gelehnt. „Florian bleibt bescheiden, obwohl er viel besser Trompete spielt als ich…“
„Auf vierhundert Meter kann ich ihm bestenfalls die Schleppe tragen“, fügte Witzbold Klaus hinzu und klopfte mit einem Brandeisen auf den steinernen Richtertisch.
Dort saß beinebaumelnd Mücke. „Vor allem lügt er nicht und versucht nicht, im Unterricht abzuschreiben“, stellte der kleine Schnelldenker und Chefredakteur der Schulzeitung Wappenschild fest.
Mit gewohnter Vorsicht bewegte Dieter die Tür der Eisernen Jungfrau und holte von einem der langen Dorne seinen alten Kaugummi. „Beim Essen nähert er sich auch schon den diversen Schulrekorden. Heute mittag hat er sieben Eier in Senfsoße verdrückt. Wenn er so weitermacht, können wir ihn noch in diesem Trimester zum Ritter schlagen…“
„Zuerst muß er sich bei einem Streich bewähren!“ widersprach Dampfwalze.
„Hat er schon“, erwiderte Klaus. „Noch bevor er zu uns kam. Denk an Neustadt im letzten Trimester.“
Hans-Jürgen, der Dichter und Protokollführer in der Runde, lachte spitz. „Dann nehmt ihn doch gleich in den Ritterrat auf!“
Ottokar und Stephan, die unzertrennlichen Freunde, lagen in den steinernen Richtersesseln. „Langsam!“ mahnten sie gleichzeitig und nahmen ebenso gleichzeitig ihre Füße vom ebenfalls steinernen Richtertisch. „Das gibt sonst
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