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Gefuehlsecht

Gefuehlsecht

Titel: Gefuehlsecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Russo
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komm schon!«
    Tatsächlich. Wir haben den ganzen Abend verschlafen. Wie auf Kommando fängt mein Magen an zu knurren. Zerzaust wie wir sind, schmeißen wir uns in unsere Jeans. Wir sind in der Pampa, umgeben von Wald. Wo sollen wir denn hier noch was zum Essen herbekommen? Da hilft nur eins. Wir werfen unsere Jacken über und fahren los. Der einzige offene Laden, den wir finden, ist eine kleine Eisdiele. Und das im Winter! Dort erbeuten wir eine Flasche Grappa, eine riesige Portion Tiramisu und gefüllte Windbeutel. Und Amicelli finden wir auch noch. Und das um fast zwölf Uhr nachts.
    Wieder zurück im Hotel verteilen wir unsere Beute schwesterlich zwischen uns im Bett. Darin sitzen wir mittlerweile in unseren Pyjamas und machen uns über die späte Mahlzeit her. Da fummelt Maja plötzlich an ihrem Handy rum. Stimmt, wir haben unsere Telefone die ganze Zeit über ausgeschaltet gehabt. Vielleicht hat Jürgen ja eine SMS geschickt oder gar angerufen? Prompt finden sich vier Anrufe in Abwesenheit auf dem Display. Zweimal meine Mutter, einmal Lena, einmal Marie. Aber kein Jürgen.
    Dazu eine SMS von Marie:
Babs, du bist gemein! Haust einfach ab. Und wir müssen uns das Gejammer von Mutti anhören. Sie hat erfahren, dass du J. nicht heiraten willst. Wohnt der jetzt echt wieder bei seinen Eltern?
    Bei dieser Nachricht fällt mir fast der Plastiklöffel aus der Hand. Eine Sekunde später halte ich Maja das Handy unter die Nase. »Lies mal!«
    Sie schielt auf das Display. »Keine Panik. Der hält sich doch nur an die Abmachung.«
    »Ja, aber warum muss er denn dann gleich ausziehen? Und woher weiß meine Mutter das?«
    »Vielleicht ist er einfach nur clever und will dir mit dieser Aktion zeigen, dass er dir fehlen könnte. Gar nicht doof. Außerdem hat er dir doch dreißig Tage geschenkt. Die bringen dir ja nix, wenn er dir ständig auf der Pelle hängt. Und woher deine Mutter das weiß, ist ja wohl sonnenklar. Wahrscheinlich hat Hilla bei ihr angerufen und die Info hat die Welle gemacht. Du weißt doch, wie die ist.«
    »Trotzdem, das wollte ich doch so alles nicht. Was soll ich denn jetzt machen?«
    »Hier, trink erst mal einen Becher Grappa. Und probier mal das Tiramisu und die Windbeutel. Die sind köstlich!«
    »Hm, ja, lecker. Ich hab noch nie Grappa aus Zahnputzbechern getrunken. Hat was!«
    »Liebelein, kannst du mir mal einen Gefallen tun und mir mal’ne SMS schicken? Ich glaube, mein Handy geht nicht mehr.«
    Ich nicke mit vollen Backen und tippe gleich los:
Danke, dass du mit mir gekommen bist. Es ist sehr schön hier mit dir.
    Kurz darauf lese ich:
So ein Arschloch! Der hat sich wirklich kein einziges Mal gemeldet.
    »Wer denn?« Verständnislos gucke ich Maja an.
    »Na, Victor! Seit gestern keine einzige SMS von ihm. Und ich blöde Kuh dachte, mein Handy sei kaputt. Wie blöd kann man denn sein?«
    So sind wir Frauen eben. Kommt kein Anruf oder keine Kurznachricht, dann denken wir, unser Telefon hätte den Geist aufgegeben. Oder wir machen uns Sorgen um ihn . Ich persönlich bin absolute Expertin im »Mir-Sorgen-Machen«, während mein Liebster sich darüber überhaupt keine Gedanken macht. Wenn ich mal absichtlich zu spät nach Hause komme, scheint das Jürgen überhaupt nicht aufzufallen. Ich wünschte, ich könnte meine Zeit ebenso sinnvoll nutzen wie Jürgen das dann tut. Aber wenn ich auf ihn warte, dann bekomme ich gar nichts anderes mehr hin. Sich zu sorgen ist dann immer noch angenehmer als das Gefühl zu haben, man könnte womöglich vergessen worden sein. Vor allen Dingen, weil man dann einfach nur Erleichterung verspürt, wenn der Mann unbeschadet zu Hause eintrudelt. Und das ist immer noch besser als die unbeschreiblich traurige, demütigende Tatsache, dass man nicht wichtig genug ist, um wenigstens einen kurzen Anruf oder eine kleine SMS zu verdienen. In etwa so:
Liebste, mach dir keine Sorgen. Es wird etwas später heute. Ich liebe dich und freue mich darauf, gleich in deine Arme zu fliegen.
    So ginge es doch auch, oder? Aber nein, wenn Jürgen mal später von der Arbeit kommt oder abends nach dem Tennistraining nicht gleich nach Hause kommt, dann habe ich auf der Stelle ein Problem. Dann sehe ich ihn in Gedanken schon dreimal verknotet um den Baum gewickelt und hilflos im Auto hängen. Oder im Fluss festsitzend, in den er gerast ist, das Wasser buchstäblich bis zum Halse stehend.
    Das eigentlich Schlimme daran ist, dass ich meine freie Zeit dann nicht mehr richtig genießen kann. Ich liebe es

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