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Gefuehlsecht

Gefuehlsecht

Titel: Gefuehlsecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Russo
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Vielleicht sollte ich einfach sechs Zettel schreiben und in jeden Briefkasten einen mit den Worten reinschmeißen: Bruno gesucht .
    Aber das ist im La Luna ja auch schiefgegangen. Oder vielleicht doch nicht? Immerhin hat Bruno ja meine Adresse. Oder hat die Anzeige doch gefruchtet? Eins ist ja wohl mal klar: Wenn Maja ihm gesteckt hat, wo ich wohne, und sie mir kein Sterbenswörtchen davon erzählt hat, dann ertränke ich sie in der Badewanne. Schotte darf natürlich zugucken. Werfe ich jetzt Zettel in jeden Briefkasten, dann muss ich nicht überall anklingeln und nachfragen, sondern nur noch mal abwarten. Aber vielleicht hat Bruno ja auch Vor-und Nachnamen auf dem Türschild stehen und ich habe ihn ratzfatz gefunden?
    Vielleicht störe ich Bruno ja auch? Ich meine, es ist mittlerweile fast zehn Uhr, vielleicht sollte ich besser morgen wiederkommen? Und wer weiß? Vielleicht ist Bruno ja sogar verheiratet und hat eine Tochter, nur dass bei ihm die Ehefrau noch da ist? Und dann? Dann steh ich wie doof vor der Tür und muss mir irgendwas einfallen lassen, wie »Ich bin die neue Nachbarin von gegenüber und möchte mir Zucker ausleihen« oder so. Andererseits, was kann ich schon verlieren? Von meiner Würde natürlich mal abgesehen? Beherzt drücke ich den ersten Klingelknopf.
    »Ja?«, ertönt es aus der Gegensprechanlage. Eine Männerstimme. Irgendwie habe ich gar nicht damit gerechnet, dass jemand da ist. Aber umso besser. Dann muss ich wenigstens niemandem gegenübertreten.
    »Hallo, entschuldigen Sie bitte die späte Störung. Ich suche Bruno. Wohnt der zufällig bei Ihnen?« Es knackt in der Leitung, dann ist es still. Eine Antwort bekomme ich nicht. Das fängt ja gut an. Bevor ich länger darüber nachdenken kann, drücke ich Knopf zwei. Es dauert nur einen kurzen Moment, da brummt der Türöffner. Mist, wozu hat man eine Gegensprechanlage, wenn man sie nicht nutzt? Zögernd gehe ich die Treppe nach oben, sehe die einen Spaltbreit geöffnete Tür. Was mache ich hier nur? »Skrypczak« steht auf dem Schild, so kann Bruno nie im Leben heißen. Das ist ja noch bescheuerter als Stankowicz. Außerdem ist Brunos Papa Italiener Und die heißen anders. Barilla, Buitoni, Bertoli, aber niemals Skrypczak. Die Sache mit den Zetteln wäre bestimmt die bessere Idee gewesen. Zu spät. Vor mir steht eine sympathisch aussehende Frau in einer grauen schlabberigen Jogginghose und einem ausgewaschenen Sweatshirt. Sie hält ihre staubigen Hände weit von ihrem Körper weg und lächelt mich nett an.
    »Mürbeteig«, sagt sie. »Ich backe gerade Plätzchen. Eigentlich dachte ich, mein Freund komme nach Hause. Er vergisst manchmal den Schlüssel. Kann ich dir irgendwie helfen?«
    Vielleicht sollte ich wirklich nach Zucker oder nach Mehl fragen und dann wieder verschwinden. Wenn ich Pech habe, steht mir gerade Brunos Freundin gegenüber. Doch ob sie mir das abnimmt? Immerhin stehe ich hier in dicken Winterklamotten. Da fällt mir ein, dass Bruno Tischler ist und ich auch seine Dienste in Anspruch nehmen könnte.
    »Entschuldigung, ich komme mir ziemlich blöd vor. Ich suche jemanden. Er soll mir einen Tisch bauen. Er heißt Bruno. Neulich hat er mir seine Adresse gegeben, aber ich konnte die Hausnummer nicht richtig lesen.«
    »Bruno? Kenne ich nicht. Hier im Haus wohnen noch drei Männer. Einer wohnt ganz oben unter dem Dach, alleine. Aber er ist mindestens sechzig Jahre alt. Ich glaube auch nicht, dass er Tischler ist. Er ist Lehrer oder so. Die anderen wohnen hier mit ihren Familien. Wir können meinen Freund fragen, wenn er gleich kommt. Der wohnt schon länger hier. Ich bin nur dazugezogen. Vielleicht weiß er ja was?«
    »Ach nein, so wichtig ist es auch wieder nicht.«
    »Er muss aber tolle Tische bauen, wenn du so spät noch unterwegs bist und ihn suchst«, sagt die Frau und ich höre eine gewisse Neugierde aus ihrer Stimme heraus. Einen Moment lang überlege ich, ob ich die ganze Geschichte erzählen soll.
    »Warte einen Moment«, kommt sie mir zuvor. »Riechst du das auch? Ich glaube, meine Plätzchen im Ofen verbrennen.« Und schon ist sie weg. Dann geht auch noch das Licht im Hausflur aus. Ich stehe in der Dunkelheit und warte. Plötzlich bekomme ich Sehnsucht nach meiner Couch. Wahrscheinlich ist es besser, wenn ich morgen wiederkomme. Dann ist es wenigstens hell draußen. Außerdem kann ich dann ja Maja zur Unterstützung mitnehmen. Der fällt wenigstens immer im richtigen Moment eine gute Ausrede ein. Draußen auf der

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