Gefuehlsecht
gesenkt?«
»Ja, hat er. Nur die Pferdesteuer nicht!«
»Du bist echt genial! Schön und schlau, Süße. Ich hoffe, Jürgen weiß das gebührend zu schätzen.«
»Oh scheiße, an den habe ich ja gar nicht mehr gedacht. Lass uns über was anderes reden, ja? Und das mit der Godiva weiß ich auch nur, weil ich mal ein Referat über Steuerrecht gehalten habe und die Sage darin vorgekommen ist. Und daran will ich jetzt auch nicht denken.«
»Hm, dann lass uns über erblindete Kerle reden. Wie viele haben denn wegen dir schon ihr Augenlicht verloren?«
Ich strecke meine so schönen Füße mit den sorgfältig lackierten Fußzehen in die Luft und betrachte sie eingängig. »Die Fußreflexzonenmassage war einmalig. Und eine Pediküre haben wir uns auch noch geleistet. Wenn, dann richtig«!
»Och, das kann ich an einem Fuß abzählen. So viele waren es nicht.« Ich wackle mit dem dicken großen Onkel. »Der Erste hieß Pocke …«
Aber das hört Maja längst nicht mehr. Neben mir ertönt ein friedliches sanftes Schnarchen. Maja ist eingeschlafen. Es ist fast halb sechs, noch früher Abend. Die Behandlungen haben uns ganz schön geplättet.
An Pocke habe ich schon Ewigkeiten nicht mehr gedacht. Damals war ich sechzehn. Nachdem ich Robbie Williams nicht kriegen konnte, hatte ich mich dazu entschieden, unter meinesgleichen zu suchen. Pocke war mein erster richtiger Freund. Eigentlich hieß er Stanley Pockmann. Er hatte rote Haare und überall Sommersprossen auf seiner milchig weißen Haut. Ich glaube nicht, dass er bei meinem Anblick sein Sehvermögen verloren hat. Aber er hatte eine Brille, die uns beim Küssen gestört hat. Pocke glaubt bestimmt immer noch fest daran, dass er mit mir sein erstes Mal erlebt hat. Beim Zelten im Garten seiner Eltern, in einem engen, schwitzigen Schlafsack. Pocke hatte sein steifes Ding so lange zwischen meinen zusammengepressten Beinen gerieben, bis ich die ganze Suppe zwischen meinen Schenkeln kleben hatte. Wahrscheinlich ist er bis heute davon überzeugt, dass er damals ganz tief in mir drin gewesen ist.
Dann hat mein Vater einen neuen Arbeitsplatz bekommen. Wir sind umgezogen, in seine alte Heimat. Das ist jetzt vierzehn Jahre her. Seitdem wohne ich im Ruhrpott, wo ich eines nachhaltig gelernt habe: Das Schicksal einer jeden Frau ist bügeln und gebügelt werden. Das »Boah ey« ist mir in Fleisch und Blut übergegangen. Ich liebe den Gasometer in Oberhausen, die Missfits, Mettwürstchen und schwarz gegrillten Bauch. Pocke habe ich übrigens nie wiedergesehen. Alles was ich noch von ihm habe, ist ein einziges Foto. Und die Tatsache, dass ich damals bei dieser Aktion glücklicherweise nicht schwanger geworden bin.
Irgendwann war ich dann mit Thomas zusammen, dann mit Gunther und danach mit Martin. Aber diesen Namen darf in meiner Gegenwart keiner mehr erwähnen. Ja, und dann kam Jürgen. Dabei wollte ich immer gerne mal mit einem Sascha oder Angelo oder einem Manuel zusammen sein. Ich hätte gerne einmal im Leben einen Freund gehabt, der einen richtig melodischen, ausgefallenen Namen hat. Ich weiß noch, wie ich damals mit Gunther ankam. Der war richtig nett. Aber wie kann man denn seinem Kind einen Namen geben, der sich auf so bescheuerte Dinge reimt? Lena und Marie haben sich damals ständig bepisst vor Lachen, wenn ihnen mal wieder ein neuer Reim einfiel. »Ist er runter, der Gunther?« war dabei noch eine von den harmloseren Varianten.
Damals habe ich mir fest vorgenommen, dass meine Kinder niemals Namen haben werden, auf die sich irgendwas Blödes reimen lässt. Namen wie Dennis oder gar Nick kommen bei mir nicht infrage. Warum ich so auf schöne Namen stehe, weiß ich auch nicht. Früher wollte ich selbst gerne Janine oder am liebsten Mandy heißen. Ich habe Büchlein voll mit fingierten Unterschriften gekritzelt. Janine Brown , Mandy Brown , Barbara Belmondo . Belmondo, das wäre der einzige Name gewesen, zu dem mein Vorname gebührend gepasst hätte. Hätte mir damals jemand erzählt, dass ich vielleicht mal Barbara Stankowicz heißen würde, hätte ich mich wahrscheinlich geweigert, jemals weiterzuatmen, und wäre auf der Stelle tot umgefallen. Aber damals wollte ich ja auch einen Bäcker heiraten. So ändern sich die Zeiten.
6
Was nicht ist, kann ja noch werden
»Schnecke? Wach auf! Wir sind voll eingeratzt. Guck mal raus, es ist stockdunkel. Wir haben schon nach elf. Das heißt, in diesem Hotel bekommen wir nix mehr zu futtern und ich sterbe gleich vor Hunger. Los,
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