Gegen jede Vernunft
verstärkte sich höchstens noch, doch er gab nach. „Wenn es das ist, was du willst. Ich werde dir einen Wagen schicken.“
„Okay, vielen Dank.“
Und dann überraschte Anna ihren Bräutigam, indem sie sein Gesicht mit beiden Händen umfasste und zu sich herunterzog. Sie küsste Leo mit aller Leidenschaft und Intensität, zu der sie fähig war, bis er dumpf aufstöhnte. Als er sie in einem plötzlichen Impuls in seine Arme riss, wollte sie für einen beseligenden Moment glauben, dass er sie ebenso brauchte wie sie ihn.
Doch so war es nicht. Was immer Leo für sie empfand, es ging nicht über das Körperliche hinaus, während sie ihn verzweifelt liebte, mit Leib und Seele.
Ruhig, aber bestimmt machte Anna sich frei, sagte Gute Nacht und verschwand im Lift. Sobald sich die Türen schlossen, presste sie eine Faust vor den Mund, um nicht laut aufzuschluchzen. Alles lief falsch! Wieder einmal fühlte sich alles falsch an.
Sie würde nicht kommen.
Leo stand ungeduldig wartend in der Eingangshalle des Standesamts, als ihm sein Chauffeur die Nachricht überbrachte. Anna war nicht zur vereinbarten Zeit erschienen, und der Versuch, sie über ihr Handy zu erreichen, schlug ebenfalls fehl. Ein zweiter Anruf bei der Hotelrezeption ergab, dass sie bereits am frühem Morgen ausgecheckt hatte.
Heiße Wut, die ihn von innen her zu versengen drohte, war seine erste Reaktion. Um sich Erleichterung zu verschaffen, hätte er am liebsten um sich geschlagen und etwas zerstört, doch das würde ihn nicht weiterbringen. Die zweite Emotion war Verzweiflung, etwas, womit Leo noch weniger umgehen konnte.
Sie hatte ihn verlassen! Anna Constantinides … seine wunderschöne kapriziöse Verlobte mit der unvermeidlichen Perlenkette und dem unnachahmlichen Flair kühler Kompetenz, hinter der sich ein heißes, leidenschaftliches Herz verbarg, wie er inzwischen wusste.
Fassungslos stand Leo inmitten fremder Menschen, die an ihm vorbeistrebten und in ihren Aktivitäten fortfuhren, als wäre nichts geschehen. Er fühlte sich beraubt. Leer. So als hätte Anna alles Licht und alle Wärme mitgenommen, als sie ging. Warum hatte sie das getan? Warum war sie gegangen? Warum, wenn diese Heirat doch so immens wichtig für sie gewesen war?
Sie hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass es dabei nie wirklich um ihn gegangen war. Das hatte seinen Stolz und seine Eitelkeit verletzt. Aber hatte er Anna je Grund gegeben, anderes zu denken oder anderes von ihm zu erwarten? Sein größter Albtraum war es, einen schlechten Vater abzugeben, der zweitschlimmste, Anna zu enttäuschen.
Und jetzt war sie nicht mehr da.
Zum zweiten Mal schloss sie ihn aus ihrem Leben aus. Beim ersten Mal war er hauptsächlich frustriert und beleidigt gewesen, diesmal fühlte es sich an, als würde ihm jemand einen mörderischen Schlag in die Magengrube verpassen.
Plötzlich wusste Leo, was er zu tun hatte. Es war das einzig Sinnvolle. Er musste sie finden und zurückholen. Nichts anderes könnte den sengenden Schmerz in seinem Innern lindern.
Und was willst du ihr dann sagen?
Leise vor sich hin fluchend rang Leo nach den richtigen Worten, nach Argumenten, die sie überzeugen könnten zu bleiben. Dass er versuchen würde, ein besserer Mensch zu werden, ein guter fürsorglicher Vater und Ehemann. Dass er sich mit ihr an seiner Seite einfach zu allem fähig fühlte und dass er sich nichts mehr wünschte als eine zweite Chance.
Die Fahrt nach Heathrow schien eine Ewigkeit zu dauern. Als sie am Flughafen ankamen, sprintete Leo durch die riesige Halle auf den VIP-Counter von British Airways zu, um ein Ticket nach Amanti zu kaufen, weil es der einzige Weg war, um in die Sicherheitszone zu gelangen. Doch die brünette Angestellte lächelte bedauernd und schüttelte den Kopf.
„Tut mir leid, Sir, aber der Flug ist bereits freigegeben, und die Maschine inzwischen schon auf der Startbahn.“
„Dann müssen Sie sie aufhalten!“
„Ich befürchte, das kann ich nicht tun, Sir.“
Leo war drauf und dran, die verbindliche Brünette am Kragen zu packen und den Stopp der Maschine zu erzwingen. Doch dann setzte sein Verstand wieder ein und er sagte sich, dass es ihm nichts weiter einbringen würde als einige Tage in der Arrestzelle. Frustriert schlug er mit der Faust auf den Abfertigungstresen und stiefelte hinaus in den strömenden Regen, von dem er zuvor nichts mitbekommen hatte.
Anna hatte ihn also wirklich und tatsächlich verlassen! Sozusagen in letzter Minute vor dem metaphorischen
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