Gegen Vaters Willen
Verhalten zu erklären. Normalerweise sprach er nicht darüber, denn es ging niemanden etwas an, doch bei Leon hatte er ein unerklärliches Gefühl von Vertrautheit, diese Art von Gefühl, die er sonst nur bei Mic verspürte.
„Das ist ziemlich mies von ihm. Dann versteh ich auch, warum du dich freust, dass er weg ist”, sagte Leon und öffnete seine Coladose.
„Ja, er ist eben ein Mistkerl. Ich bin so aufgewachsen. Ich kenn es nicht anders.”
„Oh, jetzt untertreibt er aber. Er setzt sich immer öfter gegen seinen Vater zur Wehr. Ryan, du lässt dir schon lange nicht mehr alles gefallen, was er dir sagt!”, warf Mic ein und sah ihn beinahe stolz an.
„Ja, nur zu welchem Preis?” Ryan atmete tief durch und zündete sich eine Zigarette an. „Ist egal. Ich komm klar! Und es ist ja nicht so, dass es mir generell missfällt. Ich reite sehr gern und da er mir partout keinen Führerschein bezahlen will, muss ich überall auf der Farm hinreiten. Es ist ein schönes Gefühl.”
Leon betrachtete ihn neugierig. Es war, wie Michelle sagte. Etwas Geheimnisvolles ging von Ryan aus und er wollte diese Geheimnisse nur zu gern ergründen. So viel Angst Leon auch immer vor der neuen Schule gehabt hatte, vor den neuen Leuten, so schnell war sie von ihm abgefallen. Abrupt wurde er aus seinen Gedanken gerissen, als sein Name über den Schulhof gerufen wurde.
Er wandte sich um, so wie Michelle und Ryan auch.
Ein schlaksiger Junge kam auf sie zugerannt. Er hatte die gleichen intensiv blauen Augen und das gleiche dunkelblonde, strubbelige Haar wie Leon. Michelle und Ryan war sofort klar, dass die beiden verwandt sein mussten.
„Mum hat gesagt, du gibst mir Geld. Ich habe Hunger!” Der Junge hielt die Hand auf, ohne auf Ryan und Michelle zu achten.
Leon stand auf, zog einige Scheine aus der Hosentasche und gab dem Jungen fünf Dollar. „Oh, entschuldigt. Das ist Andrew, mein kleiner Bruder.”
„Ja, das dachten wir uns schon. Haben in eurer Familie alle so blaue Augen?”, lächelte Michelle.
Leon stieg die Röte ins Gesicht, als er sich wieder setzte. „Nein, nur wir Männer.”
„Wie viele Männer gibt es denn?”, fragte Mic.
„Nun ja, meinen Vater, Andy, Riley und mich. Meine Mum und meine kleine Schwester haben braune Augen.”
„Wow! Drei Geschwister hast du?” Ryan hob die Augenbrauen.
„Ja, meine Eltern lieben Kinder!”, gab Leon amüsiert zurück.
Andrew stand noch immer vor ihnen und fixierte Michelle, ließ seinen Blick an ihrem Körper entlangschweifen.
„Andy, sagtest du nicht, du hättest Hunger? Mic ist ‘ne Nummer zu groß für dich!” Leon schnippte mit seinen Fingern vor Andys Gesicht, der zusammenzuckte und tiefrot wurde. Schnell verschwand er und lachend blieben die drei zurück.
„Das war gemein, Leon. Jetzt hast du ihn blamiert!”, sagte Michelle.
„Warum? Solche Neigungen hat er öfter. Da muss man doch gegen angehen!”
„Welche Neigungen?”, wollte Ryan wissen.
„Mädchen anstarren. Ich meine, wenn sie hübsch sind, mach ich das ja auch. Aber Andy ist dreizehn! So langsam glaube ich, ihm täte Sexualkunde auch nicht schlecht!”
Michelle und Ryan prusteten los.
„Was denn? Ist doch so.” Leon lachte ebenfalls und nur schwer beruhigten sie sich.
„Sieh’s mal so, Leon. Der Kleine weiß eben, was Qualität ist!”, grinste Ryan.
Michelle lächelte nur verlegen und erinnerte die beiden Jungen daran, dass sie zur nächsten Stunde – Mathematik – erwartet wurden. Beide murrten auf, worauf Michelle lachend erklärte, dass Ryan den Unterricht nicht versäumen dürfe, da sie dann ja niemanden hätte, der ihr die Aufgaben erklären könnte.
„Frag doch mal Leon!”
Der hob abwehrend die Hände. „Ich bin sicher nicht dumm, aber mit Mathe kannst du mich jagen. Das werde ich in hundert Jahren nicht verstehen.”
Die Mathestunde brachten sie mehr schlecht als recht hinter sich und Ryan machte sich einen Spaß daraus, die beiden in einer Tour zu necken. Doch die ließen sich nicht ärgern. Demonstrativ legte Michelle ihren Arm um Leon, der sie sanft an sich zog.
„Los, wir haben jetzt Musik!”, sagte sie am Ende der Stunde lächelnd und zog mit Leon davon, der sich im Stillen fragte, wie man am zweiten Schultag schon den Stundenplan auswendig kennen konnte.
Ryan blieb grinsend zurück und verschwand schließlich in seinem Leistungskurs Weltgeschichte.
Kurz vor vier Uhr hatten sie endlich Schluss und Ryan ging zu den Fahrradständern, um sein Rad zu holen. Da
Weitere Kostenlose Bücher