Gegen Vaters Willen
Frage war ihm seit dem oft durch den Kopf geschossen. Wie weit war er bereit zu gehen, um sich, sein Leben und seinen Besitz zu schützen? Er hatte nicht viel und war nicht gewillt, das wenige für seinen egoistischen Vater aufzugeben. War er dadurch auch egoistisch? Sein Großvater hatte immer gesagt, eine gewisse Portion Egoismus schadet keinem. Ryan hoffte, das sein Egoismus ihn nicht umbringen würde.
Jon hatte Finbar, einen vier Jahre alten Wallach, an Steiger verkauft und vorher von Ryan verlangt, Finbar zu trainieren.
Mit einem nicht minder unguten Gefühl im Magen hatte der zugestimmt. Obwohl das Pferd ihm unsagbar leid tat, war Ryan doch froh, dass June bei ihm blieb.
Jonathan war deutlich vorsichtiger geworden. Seinen Sohn so zu erleben, wie an dem Tag auf der Schafweide, hatte ihm bewusst gemacht, dass Ryan kein kleines Kind mehr war. Es hatte ihm gezeigt, dass er bereit war, gegen ihn zu kämpfen, doch Jonathan war sicher, dass er letztendlich am längeren Hebel sitzen würde.
Der April ging langsam vorbei und Ryan genoss das warme Wetter. Obwohl es seinen Vater mehr als wunderte, meldete sich Ryan freiwillig, das Schafe hüten zu übernehmen. Sein Vater konnte ja nicht wissen, dass er die meiste Zeit damit verbrachte, auf der Ladefläche des dunkelblauen Pickups zu liegen und mit Leon herum zu knutschen. Denn nichts anderes taten sie.
Ende April bekam sein Vater in einem Anflug von Größenwahn die Idee, den alten Traktor her zu richten, der schon seit Ryan denken konnte, unbenutzt in der alten Scheune stand, damit er ihn endlich verkaufen konnte.
Und er hatte beschlossen, dass Ryan ihm dabei helfen sollte, was er ihm eines Morgens in der Küche gewohnt befehlsmäßig mitteilte.
Ryan starrte ihn einen Moment an. „Äh … was?”
„Hast du damit ein Problem?”, fragte Jonathan mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Nein, nicht grundsätzlich, aber dir ist schon klar, dass ich davon überhaupt keine Ahnung habe, oder?”
„Dann wird es Zeit, dass du es lernst!”
Gemeinsam verließen sie das Haus und Ryan sah zu, wie sein Vater auf den Sitz des Traktors kletterte und den Motor startete. Klappernd und hustend tuckerte er aus der Scheune, dann gab der Motor auf.
„Ich könnte Leon anrufen. Der kennt sich mit so was aus”, bot Ryan an.
„Auf deine so genannten Freunde kann ich verzichten. Das schaffen wir auch gut ohne sie”, blaffte sein Vater zurück.
Ryan hob abwehrend die Hände. „Wenn du meinst!”
Jonathan holte einen Werkzeugkasten und öffnete die Klappe zum Innenraum, wo Ryan nur dürftig den Motor erkannte. Ansonsten war das für ihn nur ein Klumpen Rost, der von ziemlich brüchigen Kabeln zusammengehalten wurde.
„Ich fange hier schon einmal an, während du die Tiere fütterst, dann kannst du mir helfen.”
Ryan atmete erleichtert aus. Das war wenigstens etwas, was er konnte. Schnell saß er auf dem Rücken von June und ritt über die Koppeln. Zwei Stunden später kam er zurück und musste sich ernsthaft das Lachen verkneifen. Sein Vater hockte über diversen Kleinteilen und Ryan war sicher, dass der nie im Leben wusste, wo die letztendlich wieder hingehörten.
„Kannst du nicht einmal deinen Stolz überwinden und zugeben, dass du davon keine Ahnung hast? Leon bastelt dir das Ding wieder zusammen. Der hat in England öfter an Autos herumgeschraubt.”
„Der kommt aus England?”, fragte sein Vater verwirrt und musterte seinen Sohn abschätzend.
„Ja, er ist Engländer. Hast du damit ein Problem?” Ryan musterte seinen Vater herausfordernd.
„Wenn du der Meinung bist, er könne das Ding zusammenbauen, dann ruf ihn an. Wollen wir doch mal sehen, wie toll dein Freund ist!”, verdrehte Jonathan McCoy die Lage so, wie sie ihm besser zupass kam.
Ryan, der genau diese Eigenart seines Vaters kannte, schüttelte den Kopf, zog sein Handy aus der Hosentasche und wählte Leons Nummer.
„Guten Morgen, Snoopy!”
„Hi. Sag mal, hast du heute schon was vor?”
„Mein Zimmer aufräumen!”
Ryan lachte. „Kannst du das verschieben?”
„Für dich immer. Was hast du denn vor?”, fragte Leon anzüglich.
„Nettes Angebot, aber darum geht’s diesesmal nicht. Kannst du dich an den Traktor erinnern?”
„Äh … dieses alte und verrostete Teil in eurem Schuppen?”
„Ja genau, obwohl es eher nostalgisch ist. Mein Vater will den wieder straßentauglich machen. Hast du Lust? Kennst du dich mit so was aus?”
„Oh Mann. Einen Traktor hatte ich noch nie unter den
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