Gegen Vaters Willen
wegen deinem Vater?”
„Ja! Der lässt mich nie im Leben eine Woche weg.”
„Zehn Tage, Schatz!”, korrigierte Michelle ihn kleinlaut.
„Noch besser. Ich wünsch euch viel Spaß!” Ryan stand auf und ging aufs Haus zu. Seine eben noch gute Laune war vollends den Bach hinunter gegangen.
„Komm schon, Snoopy! Versuch es wenigstens. Frag ihn!”, rief Leon ihm hinterher.
„Was soll er mich fragen?” Jon war aus dem Haus gekommen und musterte Michelle, die in ihren kurzen Hosen und dem engen Shirt neben Leon stand.
„Nichts. Kann ich durch? Ich muss aufs Klo!” Ryan drängte sich an ihm vorbei ins Haus. Er war schon jetzt traurig und frustriert. Wenn die beiden mitfahren würden, würde er Leon über eine Woche nicht sehen. Der Gedanke trieb ihm die Tränen in die Augen.
Jonathan sah Leon und Michelle fragend an.
„Also, ich weiß schon, dass Sie Nein sagen werden, aber der Abschlussjahrgang fährt übernächste Woche für zehn Tage nach Saither Hill. Und es wäre toll, wenn Ryan mitkommen könnte”, sagte Michelle, wohl wissend, wie Jonathan darauf reagieren würde.
„Und sonst ist alles mit Ihnen in Ordnung? Komm gar nicht in Frage! Ryan hat hier seine Arbeit.”
„Sie kennen auch nichts anderes, als Arbeit, oder? Ryan hat auch mal eine Pause verdient. Nennen Sie es eben Urlaub. Der steht nun einmal jedem Arbeitnehmer zu!”, mischte sich Leon ein.
Ryan stand in der Küche und lauschte dem Gespräch. Dass seine Freunde eine Diskussion mit seinem Vater in Kauf nahmen, nur damit er mitfahren durfte, rührte ihn, auch wenn er wusste, dass es zwecklos war.
„Und wer soll in seiner Abwesenheit seine Arbeit machen?”
„Sie haben drei Angestellte. Bekommen die auch keinen Urlaub?”, fragte Leon frech.
„Oh doch. Sie arbeiten aber auch fünf Tage zwölf Stunden lang. Ryan zieht es ja vor, seine Zeit in der Schule zu vergeuden!”
Leon glaubte, sich verhört zu haben. „Es gibt eine Schulpflicht. Davor können nicht mal Sie sich drücken!”
„Das ist unerheblich.”
„Nein, denn genau das ist der Punkt. Ryan steht jeden Tag um halb fünf auf und arbeitet bis zum späten Abend. Wann hat er denn mal Ruhe?”, regte sich Leon auf. „Vielleicht denken Sie mal darüber nach, ihm Gehalt zu zahlen. Denn verdient hätte er es!”
„Sie gehen zu weit, Freundchen!” Jonathan McCoys Stimme wurde immer bedrohlicher.
„Nennen Sie mich nicht Freundchen ! Das kann ich gar nicht haben, und zu weit gehe ich bestimmt nicht!” Leon war gerade so richtig in Fahrt, als Ryan auf den Hof zurückkam.
Sein Vater fixierte ihn höhnisch grinsend.
„Oh, mein Sohn, deine Freunde bilden sich tatsächlich ein, dass du dich hier zehn Tage lang verdrücken kannst!”
„Ja, das wäre auch ein zu großes Wunder gewesen, wenn du es erlaubt hättest. Ich versteh das schon. Keiner mehr da, den du herum kommandieren und an dem du deine schlechte Laune auslassen kannst. Ja, das wäre in der Tat schrecklich. Du müsstest deinem Sohn einen Riesengefallen tun, und er wäre glücklich. Das geht ja nun gar nicht!” Er ging auf den Traktor zu. „Lass uns weitermachen, Leon. Bevor meinem Vater noch auffällt, dass wir bei dieser brütenden Hitze eine Pause machen. Vor allem du, der ja mit dem Hof absolut nichts zu tun hat!” Ryans Stimme strotzte vor Sarkasmus, den er gerade schwer im Zaum halten konnte.
„Überlegen Sie es sich noch einmal, Mr. McCoy!”, sagte Michelle ruhig und blieb vor Ryans Vater stehen. Mit ihren strahlend blauen Augen sah sie ihn bettelnd an.
Ryan wurde schlecht. Dass Michelle sich so vor seinem geifernden Vater präsentierte, passte ihm gar nicht, also lief er zu ihr und zog sie am Arm zurück. „Lass es, Süße. Das bin ich im Leben nicht wert!”
„Doch, ich will, dass du mitkommst!”, protestierte sie.
„Wie denn? Du siehst doch, dass ich nicht entbehrlich bin. Irgendwer muss doch schließlich hier die Drecksarbeit machen!” Ryan spürte, wie die Wut auf seinen Vater in ihm immer höher kroch.
„Aber er könnte es sich ja noch mal überlegen.” Michelle drehte sich zu Jonathan zurück. „Bitte, Mr. McCoy. Das ist mir sehr wichtig. Ryan gehört einfach zu uns. Sie können ihn doch nicht einsperren!”
„Doch, kann er. Das tut er seit fast fünf Jahren, Mic, und du weißt es!” Ryan ging zum Traktor zurück, doch Michelle zögerte, sah immer noch zwischen Ryan und Jon hin und her, der mit verschränkten Armen da stand und Michelle von oben bis unten betrachtete. Sein
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