Gegen Vaters Willen
wütend.
Jetzt starrte Leon ihn an. Es schockte ihn genauso wie Ryan. Er liebte June über alles. Er hätte nie gedacht, dass ihm ein Tier mal so wichtig werden könnte, doch die schneeweiße Stute hatte es ihm echt angetan. „Was?”, flüsterte er.
Ryan vergrub sein Gesicht in der hellen Mähne und schwieg.
„Das kann er doch nicht machen! June gehört dir!”, sagte Leon.
„Das interessiert den doch nicht! Der sieht ja nur den Profit. June wird bei Steiger eingehen. Er kann nicht mit Tieren umgehen, deswegen schlachtet er sie ja auch!” Ryan stieg endlich vom Pferd und streichelte sie langsam. „Ich kann doch nicht zulassen, dass Steiger sie mitnimmt!”
Leons Hand glitt langsam über die weichen Nüstern. Er spürte, wie June ihm den Kopf weiter entgegenstreckte. Sie mochte es, wenn Leons warme Hand sie streichelte. „Das werden wir auch nicht. Und sollte er sie doch holen …”
„Leon! Er darf nicht!”, schrie Ryan aufgebracht.
„Sollte …”, setzte Leon lauter an, „er sie doch holen, dann holen wir sie zurück. Ich lass nicht zu, dass dieser Widerling June behält!”
Ryan warf ihm einen solch liebevollen und rührenden Blick zu, dass Leon glatt rot wurde.
„Keine Sorge. Sie ist unser Mädchen. Du weißt, wie allergisch ich darauf reagiere, wenn man mir meine Mädchen wegnimmt!”, lächelte Leon.
Hinter ihnen tauchten Motorengeräusche auf, also wandten sie sich um. Der grüne Pickup, Jonathans neues gebrauchtes Auto, rumpelte über die Feldwege. Mit zornrotem Gesicht stieg er aus. „Ich sagte, sie bleibt im Stall!”, schrie er schon von weitem, während er auf die Jungs zuging.
Ryan schwieg, drückte aber Leon unbemerkt die Zügel in die Hand.
„Was denkst du dir eigentlich?” Sein Vater war so dermaßen wütend, dass er Leon noch gar nicht wahrgenommen hatte.
„Bring sie ein Stück weg, bitte!”, raunte Ryan seinem Freund zu, der ihn skeptisch betrachtete und nickte.
„Was will der hier? Verschwinden Sie von meinem Grundstück!”, brüllte Jon Leon an.
„Halt dich zurück. Wie du mit mir redest, ist eine Sache, doch mit meinen Freunden sprichst du so nicht!”, sagte Ryan mit bedrohlich ruhiger Stimme.
Eine unangenehme Gänsehaut zog sich in Leons Nacken. Wachsam sah er zwischen den beiden hin und her.
„Zumal ich dich daran erinnern sollte, dass dies nicht dein Grundstück ist. Was mich betrifft, bist du hier bestenfalls geduldeter Gast!”
Leon zuckte zusammen. So hatte er Ryan noch nie reden gehört. Er spuckte seinem Vater die Worte vor die Füße, und dabei klang seine Stimme wutverzerrt und kalt. Er legte die Stirn an Junes Hals, atmete tief durch und beobachtete die beiden weiter.
„Wage es nicht, so mit mir zu reden! Was bildest du dir eigentlich ein? Und nun bring June zurück, sonst lernst du mich richtig kennen!”, brüllte Jonathan.
Ryan hielt in der gleichen Lautstärke dagegen. „Ich rede mit dir so, wie ich will. Mehr bist du ohnehin nicht wert! Und June bleibt bei mir. Sie ist mein Pferd. Das bedeutet, du kannst dir mit dem Vertrag vielleicht noch den Arsch abwischen. Und das ist mein letztes Wort. Wenn du noch etwas sagen willst, dann komm her. Dann lernst du mich richtig kennen!”
Leon trat an June vorbei. Das ging ihm eindeutig zu weit. „Ryan, bitte nicht!”
„Halt dich da raus. Das ist eine Sache zwischen dem Typ, der sich mein Vater schimpft, und mir, okay?”
Leon hob die Hände und ging langsam rückwärts zu June zurück. Er wollte sich nicht mit Ryan anlegen, wenn er so drauf war.
„Na los, was ist? Beweist du heute wieder, was für ein unglaublicher Feigling du bist? Hättest du nicht erwartet, dass dein Kind sich irgendwann wehrt, richtig? Kannst du mich nur schlagen, wenn ich hilflos bin?” Ryans laute Stimme nahm Dimensionen an, so dass er beinahe kreischte.
Jon ging auf ihn zu, langsam und wachsam, und beobachtete seinen Sohn, der zitternd vor ihm stand. Plötzlich holte er aus.
Leon schloss die Augen, wandte den Kopf ab und wollte nicht sehen, was passiert, doch Ryan duckte sich, wich der geballten Hand aus und schlug dann seinerseits zu.
Seine Faust landete im Gesicht seines Vaters, der zurücktaumelte und stolpernd ins Gras fiel.
Leon öffnete die Augen und atmete erleichtert aus. Doch dann trat Ryan auf seinen Vater zu, hockte sich vor ihn und hielt plötzlich ein Messer in der rechten Hand. Leon erstarrte regelrecht. Er schaute nur auf die silberne Klinge des Butterflymessers, die im Sonnenlicht glänzte und nun
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