Gegengift: Europa stiehlt euch die Zukunft. Wie ihr euch wehrt. (German Edition)
großen Unternehmen, vor allem in den börsennotierten und halbstaatlichen, grassiert der Bürokratiewahn. Dort müsst ihr inzwischen jede Bewirtungsrechnung fünfmal dokumentieren, weil es sich um einen Bestechungsversuch handeln könnte. Wenn ihr zu viele langweilige Dinge erledigen müsst, leidet ihr an Bore-out und werdet vor lauter Desinteresse und Unterforderung lethargisch.
Sechstens. Eure Karrierechancen als Sachbearbeiter sind beschränkt. Denn ihr erlernt keine Fähigkeiten, die ihr für höhere Aufgaben braucht. Einem Manager hilft es nicht, wenn er gut Zettel ausfüllen, Powerpoint-Präsentationen erstellen und verwalten kann. Ein Manager muss wissen, wie er Entscheidungen trifft, Mitarbeiter motiviert, Verhandlungen führt, Risiken einschätzt, mit Fehlentscheidungen umgeht und Krisen meistert. Von Obersachbearbeitern könnt ihr das nicht lernen. Die haben davon selbst keine Ahnung.
Wenn ihr innerhalb eurer Möglichkeiten doch aufsteigt, erhöht ihr euer Risiko, ersetzt zu werden. Die Verweildauer der Ober-Ober-Sachbearbeiter sinkt. Oft genug verschwinden Ober-Ober-Sachbearbeiter während eines Firmenkaufs oder -verkaufs aus den Reihen meiner Verhandlungspartner, weil sie mitten in der Transaktion von ihren Bossen gefeuert werden.
Mir fallen wirklich wenige Gründe für ein Berufsleben als Angestellter ein. Vielleicht wollt ihr es trotzdem versuchen. Vielleicht findet ihr einen mühsamen Vorgesetzten und eine langweilige Aufgabe angenehmer als den Druck, es mit einer eigenen Idee zu versuchen. Immerhin bekommt ihr als Angestellte jeden Monatsersten Geld, wobei es ziemlich egal ist, wie gut ihr eure Aufgabe erledigt. Mit ein bisschen Abstumpfung prallt der Angestelltenstress vielleicht von euch ab, und eure Erfüllung müsst ihr eben außerhalb eurer Arbeitszeiten finden. Wenn ihr euch gegen meine Empfehlung für so ein Dasein entscheidet, würde ich an eurer Stelle acht Dinge tun.
Erstens. Ich würde mich zuerst fragen, ob ich verkaufen kann. Ein guter Verkäufer muss extrovertiert sein, verkaufen kann deshalb nicht jeder. Wer es kann, ist als Angestellter privilegiert. Gute Verkäufer sind Leistungsträger. Ihre Chefs tun alles, um sie bei Laune zu halten und tolerieren ihre Allüren und Sonderwünsche. Denn Verkäufer bringen das Geld ins Haus. Sie sind schwer ersetzbar und wenn die Firma, die Branche oder die ganze Wirtschaft kracht, werden sie als Letzte gefeuert.
Jede Firma braucht gute Verkäufer. Auch ich brauche welche. Sie bringen mir Kunden, für die ich bei Finanzierungen beraten oder deren Unternehmen ich verkaufen kann. Sogar karitative Organisationen brauchen Verkäufer, bloß heißt es dort nicht Verkauf sondern Fundraising.
Verkäufer sind messbar und wenn sie gut sind, verdienen sie dank ihrer Erfolgsbeteiligungen auch gut. Viele von euch sind sich aber zu gut für den Verkauf und es mangelt euch an Frustrationstoleranz. Als Verkäufer müsst ihr Klinken putzen können und wissen, dass es keine bösen Menschen gibt, die eure Produkte nicht wollen, sondern bloß welche, denen ihr sie falsch angeboten habt. Wenn ihr bei der Vordertür rausfliegt, müsst ihr mit einem neuen Plan und neuen Argumenten bei der Hintertür wieder hereinkommen. Doch der Sozialstaat hat euch die Frustrationstoleranz abtrainiert. Beim dritten Kunden, der nicht kaufen will, geht ihr zum Psychotherapeuten und beim fünften wegen Burn-out-Verdachtes in die Notaufnahme eures örtlichen Krankenhauses.
Zweitens. Ich würde die Branche, in der ich arbeiten will, einem Realitätscheck unterziehen. Auf die Art könnt ihr euch von Klischees, Illusionen und Kindheitsträumen verabschieden. Nicht jeder, der ein ausgeprägtes Umweltbewusstsein hat, will dann noch Biobauer werden. Er fühlt sich vielleicht bei einem Hersteller von Filterreinigern wohler. Siebzig Prozent von euch glauben Umfragen zufolge irgendwann in ihrem Leben, für die Schauspielerei oder die Schriftstellerei bestimmt zu sein. Ich kenne mich weder mit dem einen noch dem anderen aus, aber ich wette, dass auch diese Tätigkeiten in der Praxis längst nicht so schillern wie in euren Vorstellungen.
Jeder von euch, der sich für einen Psychologen, Theaterwissenschaftler oder Publizisten hält, sollte sich die Studentenzahlen dieser Fächer an den Unis ansehen. In der Evolution wäre etwas gründlich schiefgelaufen, hätte sie tatsächlich so viele Begabungen in diesen Gebieten hervorgebracht.
Drittens. Unter den Branchen, die mir gefallen, würde ich mir
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