Gegengift: Europa stiehlt euch die Zukunft. Wie ihr euch wehrt. (German Edition)
aber sagt auch, worin ihr nicht so gut seid. Das schafft Vertrauen und eine realistische Basis für eine Zusammenarbeit. Es hat keinen Zweck, wenn ihr euch rühmt, in allen möglichen Programmen sattelfest zu sein, und dann nicht einmal wisst, wie ihr einen Computer einschaltet.
Ich frage Bewerber immer nach ihren Schwächen. Wenn einer meint, keine zu haben, sage ich ihm, dass für ihn nur die Stelle als mein Vorgesetzter infrage käme, aber die gäbe es leider nicht.
Siebtens. Ich würde bei meinen Gehaltswünschen realistisch bleiben. An einem Tag, an dem ich nicht besonders gut aufgelegt war, bat ich einen Bewerber, der gerade sein Studium beendet hatte, eine konkrete Summe zu nennen. „Sagen Sie einfach, wie viel Sie sich vorstellen“, forderte ich ihn auf. Um den Preis, den er mir nannte, hätte ich drei Slowaken, fünf Azubis, zehn Serben oder fünfzig Inder bekommen. Er wäre vielleicht besser als jeder Einzelne von ihnen gewesen, aber sicher nicht besser als alle zusammen. Vermutlich wäre sogar jeder Einzelne von ihnen fleißiger als er gewesen. Mit offenem Mund starrte er mich an, als ich ihm das sagte.
Achtens. Ich würde mich von einer Ablehnung nicht enttäuschen lassen. Jobsuche ist immer Verkauf und dafür braucht ihr wie gesagt Frustrationstoleranz. Mehr als hinausgeworfen könnt ihr nicht werden. Bei neun von zehn Fällen werdet ihr vielleicht tatsächlich hinausgeworfen, aber ihr braucht nicht zehn Jobs, sondern nur einen. Selbst wenn ihr hinausgeworfen werdet, könnt ihr es, wie ein guter Verkäufer, mit neuen Argumenten noch einmal versuchen. Wenn ihr es ernst meint und eure Argumente seriös, ehrlich und von Leistungswillen getragen sind, nervt ihr damit niemanden. Ich hatte so einen Fall. Der junge Mann probierte es immer wieder. Wenn er den Job unbedingt will, dachte ich irgendwann, dann soll er ihn haben. Er hat sich auch als Glücksgriff entpuppt.
Wenn ihr so vorgeht, findet ihr garantiert einen Job, der zu euch passt. Denn für ehrliche, fleißige Menschen mit Hausverstand, die etwas erreichen wollen, gibt es immer genug zu tun. Für die gibt es allerdings nicht nur genug Jobs, sondern auch genug bessere Möglichkeiten, Geld zu verdienen.
Thema zwei
Aufsteigen
Viele von euch träumen davon, ein Zampano zu werden – Vorstand eines Konzerns, Seniorpartner einer Rechtsanwaltskanzlei oder Beratungsfirma, Investmentbanker oder Immobilienmanager. Ein Teil von euch glaubt, gleich ganz oben anfangen zu können. Ein anderer Teil meint, sich als Sachbearbeiter hochbuckeln zu können. Beides beruht auf euren falschen Vorstellungen von so einem Spitzenjob, die Hollywood, eine klischeehafte Medienberichterstattung und die Neidkomplexe der Sachbearbeiter geschaffen haben.
Die meisten Bewerber, die bei mir eine Karriere als Immobilienmanager oder Investmentbanker starten wollen, bringen diese falschen Vorstellungen mit. Sie glauben, dass sie in einem eleganten Büro oder einem teuren Restaurant mit Pokermiene Verhandlungen führen und den Rest ihrer Zeit lukrative Deals feiern und in Ferrari-Prospekten blättern werden.
Ich nehme sie gerne mit zu einem Arbeitstag als Immobilieninvestor. Das heißt für sie, um 5.00 Uhr aufzustehen, um 7.00 Uhr mit mir im Flieger zu sitzen und um 8.30 Uhr in irgendeiner deutschen Stadt mit der Schnellbahn oder dem Taxi ins Zentrum zu fahren. Geht es um eine Wohnung, sehen wir im Keller nach, ob die Stahlträger verrostet sind, und gehen zu Fuß im Treppenhaus nach oben, damit ich sehe, ob es Risse hat. Nach einem Blick in die Wohnung klettern wir über wackelige Leitern aufs Dach. Danach geht es im Laufschritt weiter zur nächsten Adresse, und das manchmal zehn bis zwölf Mal am Tag, bei Sonne, Regen und Schneefall.
Das war der aufregendere Teil des Jobs. Danach muss der Neuling von den Maklern die notwendigen Unterlagen herbeischaffen. Ich brauche Protokolle von Eigentümerversammlungen, Betriebskostenabrechnungen, Grundrisspläne, Wohnflächenberechnungen, Versicherungspolicen und Mietverträge. Zumindest die Hälfte der Makler ist zu faul oder zu schlampig, um sie von selbst zu schicken. Als Nächstes geht es darum, die Unterlagen zu lesen, zu analysieren und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Zwei Drittel der Bewerber finden nach so einem Arbeitstag Immobilieninvestment öd.
Beim Investmentbanking entspricht die Praxis ebenfalls in keinem Punkt dem Mythos. Für Anfänger besteht ein großer Teil der Arbeit auch hier darin, fehlende Unterlagen zu
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