Gegengift: Europa stiehlt euch die Zukunft. Wie ihr euch wehrt. (German Edition)
eher vier, ist er bei guten Prognosen zuletzt stark gestiegen nehme ich eher zehn. Der Rest liegt dazwischen.
Drittens. Zu der Summe, die dabei herauskommt, addiere ich nicht betriebsnotwendiges Vermögen. Wenn also zum Beispiel auf den Konten des Unternehmens drei Millionen Euro herumliegen, zähle ich diese drei Millionen dazu.
Viertens. Die Schulden, die das Unternehmen bei Banken, Lieferanten und dem Finanzamt hat, ziehe ich ab.
Fünftens. Offene Forderungen des Unternehmens, also zum Beispiel noch nicht beglichene Rechnungen von Kunden, addiere ich. Davor kontrolliere ich, ob diese Forderungen werthaltig sind. Dazu sehe ich mir einfach an, wie lange sie schon bestehen. Bestehen sie schon lange, ist die Hoffnung gering, dass der Schuldner noch zahlt.
Sechstens. Ich sehe nach, ob Altlasten wie Rechtsstreitigkeiten, Umweltlasten oder patentrechtliche Probleme bestehen, die das Unternehmen in Zukunft Geld kosten könnten. Wenn ja, ziehe ich diese Kosten ebenfalls ab.
Unter dem Strich steht jetzt der Preis, den die Firma wert ist. Wenn ich sie kaufe, biete ich diesen Preis minus zwanzig Prozent als Verhandlungsspielraum nach oben. Wenn ich sie verkaufe, verlange ich diesen Preis plus zwanzig Prozent als Verhandlungsspielraum nach unten. Gibt es mehrere Interessenten, verkaufe ich an den Bestbieter.
Wirtschaft ist einfach und macht Spaß. Trotzdem zelebrieren sie selbst Wirtschaftsuniversitäten als eine Art Geheimwissenschaft und ergehen sich in sinnlosen Details. Vor Kurzem habe ich einen meiner Praktikanten gefragt, ob er an der Uni schon gelernt hat, eine Bilanz zu lesen. Das nicht, meinte er. Er habe dafür eine Vorlesung mit dem Titel „Stab und Stellen“ besucht. Es ging darum, welcher Mitarbeiter welchen Vorgesetzten wann, wie und womit ansprechen darf. Es handelte sich um eine Vorlesung nicht an irgendeiner, sondern an einer Frankfurter Wirtschaftsuniversität. Selbst dort wird Bürokratie statt brauchbaren Wissens unterrichtet. Deshalb gehen selbst die ökonomisch Gebildeten unter euch bei allem, was sie ökonomisch tun, wie Dummköpfe vor. Dabei lässt sich alles Wesentliche, das ihr braucht, um Geld zu verdienen und zu investieren und damit Macht, Freiheit und politische Gestaltungsmöglichkeiten zu erlangen, in relativ kurzer Zeit erklären. Ich behaupte, dass vier Abendessen dafür reichen.
Thema eins
Der Weg der Sachbearbeiter
Ihr betrachtet einen Beruf als eine Art Lifestyle-Konzept und denkt dabei höchstens darüber nach, wie ihr euch verkauft, aber kaum darüber, was ihr zu verkaufen habt. Ihr wollt einen Job mit einer interessanten, abwechslungsreichen Tätigkeit, möglichst freier Zeiteinteilung, niemandem, der euch herumkommandiert, einem tollen Gehalt und wenig Risiko. Diesen Job gibt es nicht. Wer wenig arbeitet und wenig Risiko übernimmt, wird immer auch wenig verdienen. Fantasten, die ihr seid, macht ihr euch trotzdem auf die Suche danach. Ihr lest die Stellenanzeigen, fragt Papa, Mama, Onkel und Tante, ob sie jemanden kennen und schickt stapelweise Blindbewerbungen aus.
Das Datum steht darin an genau der richtigen Stelle, der Betreff hat genau den richtigen Abstand zur Anrede, der Brief hat genau die richtige Länge und bei der Beschreibung eurer Berufserfahrungen übertreibt ihr ein wenig. Wenn ihr vor einem Kaufhaus an Frauen Flugzettel für Kosmetik verteilt habt, nennt ihr das „Distribution von Kommunikationsmitteln an eine ausgewählte Zielgruppe“.
Wenn ihr besonders angesehene Schulen besucht habt, eure Zeugnisse besonders gut waren oder ihr in besonders kurzer Zeit studiert habt, ist euer Anspruch ans Arbeitsleben besonders hoch. Dann schickt ihr eure perfekten Bewerbungen mit dem perfekten Foto und der perfekten Vita an besonders große und bekannte Unternehmen. Deren Namen würden sich in eurem Lebenslauf besonders gut machen, findet ihr, und Papa, Mama, Onkel und Tante wären besonders stolz auf euch. Waren eure Schulen, eure Noten und eure Semesterzahl eher durchschnittlich, seid ihr bescheidener. Dann schreibt ihr auch an Firmen, deren Namen ihr noch nie gehört habt.
Ihr seid ein Heer von Lemmingen, das die Personalabteilungen mit faden Bewerbungen bombardiert. Bei den meisten landen sie ungelesen im Papierkorb. Inzwischen überlegen sich die Firmen sogar schon, wie sie eure Bewerbungsflut fürs Marketing oder für die Imagewerbung nützen können. Ich weiß von einem erfolgreichen Lebensmitteldiscounter, der jedem Bewerber einen persönlichen Brief schreibt.
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