Gegengift: Europa stiehlt euch die Zukunft. Wie ihr euch wehrt. (German Edition)

besorgen. Sie müssen Ordner für Unternehmensprüfungen aufbereiten, Termine mit Anwälten und Wirtschaftsprüfern koordinieren, Protokolle schreiben, Finanzmodelle erstellen und Internetrecherchen durchführen. Ein paar Wochen mit dieser Beschäftigung reichen den meisten von euch, um entweder mich persönlich, meine Firma, die Finanzbranche oder die Wirtschaft an sich furchtbar langweilig zu finden.
    Doch der Deal für Aufsteiger besteht nun einmal von Anfang an darin, härter als andere zu arbeiten, und oben angekommen wird es noch schlimmer.
    Am Rande eines Unternehmenskaufs schilderte mir der Europa-Chef eines amerikanischen Multis den Ablauf seiner vergangenen Arbeitswoche. Am Montagmorgen landete er in einer spanischen Industriestadt, wo er einen hochrangigen Manager feuern und die Konditionen seines Ausstiegs verhandeln musste. Am Dienstag kam er mit zwei Stunden Verspätung in Hamburg an. Dort besprach er mit einem Großkunden Garantiefälle, bei denen für seinen Konzern viel Geld auf dem Spiel stand. Am Mittwoch vermittelte er in Frankreich bei einem Streik, bei dem Manager des Unternehmens mit Eiern und Tomaten beworfen wurden und die Belegschaft eines anderen französischen Unternehmens einen Manager als Geisel nahm. Am Donnerstag kümmerte er sich in Italien um Korruptionsfälle, von denen niemand etwas wissen wollte, und löste gleichzeitig Probleme bei einem ausgegliederten IT -Dienstleister, dessen Server abgestürzt waren und Teile der Konzernkommunikation lahmgelegt hatten. Am Freitag flog er wegen unerwartet schlechter Ergebnisse eines skandinavischen Tochterunternehmens nach Stockholm, von wo er mit einer mehrstündigen Verspätung wegen Überlastung des Luftraumes über Europa mitten in der Nacht wieder heimkam.
    Macht, Luxus, Abenteuer und Privilegien entschädigen euch nicht für die Dauerbelastung. Macht wird mit der Zeit anstrengend, Luxus langweilig, Abenteuer werden zur Routine und Privilegien zur Last. Siemens -Chef Peter Löscher darf angeblich keine Sportwagen fahren, weil ihm die Lebensversicherung, die Siemens für ihn abgeschlossen hat, nur gepanzerte Limousinen erlaubt.
    Nur der pure Gestaltungswille entschädigt euch für die Dauerbelastungen eines Spitzenjobs. Wenn ihr allein wegen Macht, Luxus, Abenteuern und Privilegien nach oben wollt, scheitert ihr unterwegs oder spätestens, wenn ihr angekommen seid.
    Wer trotzdem ein Zampano werden will, muss von einem Zampano lernen. Das gilt in der Wirtschaft genauso wie in der Wissenschaft, der Kunst oder der Politik. Wer Außenminister werden will, muss vom amtierenden Außenminister oder von einem Spitzendiplomaten lernen.
    Als rechte Hand eines Zampanos arbeitet ihr im Hintergrund und bekommt Dinge mit, die Sachbearbeitern auf Lebenszeit verschlossen bleiben. Dafür müsst ihr eurem Chef gegenüber blind loyal, absolut verschwiegen und Tag und Nacht verfügbar sein. Ein Bekannter von mir arbeitete als Assistent des Generaldirektors einer deutschen Bank. Er sah seinem Chef zu, wie er Strategien entwarf, Krisen managte und Spitzenpositionen besetzte. Dabei führte er Protokolle, reservierte Tische in Restaurants, errechnete Finanzmodelle, diente bei wichtigen Besprechungen als Zeuge, dolmetschte, hob das Mobiltelefon seines Chefs ab und fuhr seine Freundin herum. Er war Kofferträger und saß gleichzeitig an den Schalthebeln der Bank. Denn der Generaldirektor selbst hatte wenig Zeit, weshalb die Länderchefs oder Großkunden mit ihren Anliegen stattdessen zu ihm kamen.
    Euer Einstiegsgehalt ist eher mager. Mein erster Assistent konnte von seinem kaum die Miete zahlen. Dafür ist er jetzt, mit 27, erfolgreicher Investmentbanker. Viele Top-Manager haben ihre Laufbahn so begonnen. Ekkehard Schulz wurde 1972 Vorstandsassistent bei Thyssen , heute leitet er den Konzern. Der frühere Porsche -Chef Wendelin Wiedeking war Assistent in dem Unternehmen, das er später lange geführt hat. Roland-Berger -Chef Burkhard Schwenkner war am Anfang seiner Karriere Vorstandsassistent bei den Papierwerken Waldhoff-Aschaffenburg . Ex- Lufthansa -Chef Wolfgang Mayrhuber war Assistent bei Jürgen Weber, der die Lufthansa zuvor saniert hatte. Christoph Franz, der jetzige Lufthansa -Chef, hat seine Karriere ebenfalls als Mitarbeiter Webers begonnen.
    Oft finden sich in Assistenten-Positionen die Kinder der Elite. Ihre Eltern schicken sie durch die harte Schule, obwohl sie es nicht nötig hätten, weil genug Vermögen für die nächsten fünf Generationen da