Gegensätze ziehen sich aus
wir ... die Kinder ...« Ich räusperte mich. Für die Kinder wäre es sicher auch verwirrend, wenn sie Anton am frühen Morgen nackt in meinem Bett finden würden. Jedenfalls noch zum jetzigen Zeitpunkt. »Nach und nach werden wir von ganz allein zusammenwachsen.«
»Solange wir zwei Haushalte führen, werden wir nicht zusammenwachsen«, sagte Anton. »Wie sollen sich die Kinderdenn daran gewöhnen, wenn für sie doch alles beim Alten bleibt?«
Na, so wie ich. Ganz langsam. Wenn ich mich an Anton gewöhnt hatte und er sich an mich, mit all meinen Macken, die er ja noch nicht kannte, dann konnte man vielleicht über einen nächsten Schritt nachdenken. Indem man zum Beispiel nicht heimlich ins Bad schlich, sondern sich ganz offen und ehrlich die Zähne putzte. Oder Anton meinen Eltern vorstellte und damit riskierte, ihn mit den schwärzesten Episoden meiner Kindheit zu konfrontieren. Mit meinen Konfirmationsfotos. Oder mit Bemerkungen wie: »Wir hatten für Constanze schon jede Hoffnung aufgegeben. Getrennt, alleinerziehend und ohne Arbeit - wir hätten wirklich nicht gedacht, dass sie noch mal einen Dummen findet.« An so etwas musste man sich vorsichtig heranpirschen, Schrittchen für Schrittchen.
Aber Anton machte offenbar viel größere Schritte als ich. Er schien so eine Art Beziehungs-Sieben-Meilen-Stiefel zu tragen.
»Wir kommen um eine Haushaltszusammenlegung nicht herum«, sagte er.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Deshalb versuchte ich es mit einem Scherz. »Ich liebe dich auch.«
Anton grinste, ließ sich aber nicht ablenken. »Ich meine es ernst. Wir sollten zusammenziehen. So bald wie möglich.«
Was meinte er? Wie sollte das gehen? Sein Haus war eine Schuhschachtel, und meins war auch nicht viel größer. Vor allem gab es nicht genügend Zimmer. Es wäre Emily wohl kaum zuzumuten, sich mit Julius ein Zimmer zu teilen. Und Julius auch nicht. Allein bei dem Gedanken, ihn unbeaufsichtigt mit Emily in einem Zimmer zu lassen, bekam ich eine Gänsehaut. Vor nicht allzu langer Zeit hatte sie Bonbons mit Mayonnaise präpariert,wohl wissend, dass Julius sich nach dem Genuss von Mayonnaise übergeben musste ...
Bei der Erinnerung daran schluckte ich.
Wenn wir zusammenzögen, würde das wohl auch bedeuten, dass Emily bei uns war, während Anton arbeiten ging. Vermutlich war Anton nicht klar, dass ich bei dieser Vorstellung eine Gänsehaut bekam.
Zur Zeit wurde seine Tochter nach der Schule abwechselnd von Antons Mutter Polly und einem Kindermädchen betreut, und ich wusste, dass dieses System Anton Probleme bereitete. Aber an Emilys Schule wurde keine Ganztagsbetreuung angeboten. Wenn das Kindermädchen, eine Studentin, kurzfristig ausfiel, hatte Antons Mutter oft andere wichtige Termine, und Anton blieb nichts anderes übrig, als in der Kanzlei alles stehen und liegen zu lassen, um für Emily da zu sein. Dafür wiederum hatte sein Partner dort wenig Verständnis, und die Mandanten fanden es auch nicht lustig.
Dieses Problem hätte Anton geschickt gelöst, wenn wir zusammenzögen.
In meiner Vorstellung sah ich Emily mit ihren Hausaufgaben an meinem Küchentisch sitzen und mich durchdringend anschauen. »Wenn du nicht weißt, wie viel vierunddreißig geteilt durch drei ist, mache ich dich weg!«
»Hier ist es ja wohl zu eng für uns alle«, brachte ich mühsam hervor.
Anton nickte.
»Und bei dir auch«, sagte ich.
»Genau«, sagte Anton. »Wenn wir diese Beziehung auf sichere Fundamente stellen wollen, brauchen wir ein neues Haus. Eins, in dem Platz für alle ist, für uns, die Kinder und die ganzen Katzen.«
Die ganzen Katzen - es waren zwei - kamen gerade zur Tür herein und verlangten laut miauend nach ihrem Frühstück. Da vor allem Berger, der Kater, dazu neigte, einem in die Zehen zu beißen, wenn man seinem Wunsch nicht Folge leistete, stand ich auf und zog mir einen Bademantel über. Senta und Berger strichen schnurrend um meine Beine, während ich versuchte, Antons Worte zu verarbeiten.
Ein neues Haus? In diesem hier wohnte ich gerade mal acht Monate. Ich hatte es renoviert und nach meinen Wünschen gestaltet. Ich liebte das Haus. Ich wollte es nicht gegen ein anderes eintauschen.
»Fünf Schlafzimmer«, sagte Anton. »Die bräuchten wir mindestens, oder willst du noch mehr?«
Ich schüttelte den Kopf. Wir hatten ja bereits fünf Schlafzimmer. Auf zwei Häuser verteilt war das völlig ausreichend. Und was hieß denn »sichere Fundamente«? Zwei Häuser waren für mich sichere
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