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Gegensätze ziehen sich aus

Titel: Gegensätze ziehen sich aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Fundamente. Zwei Häuser und ganz viel Zeit, um sich besser kennen zu lernen. Warum zur Hölle hatte Anton es denn so eilig?
    »Anton, es gibt so viel über mich, das du noch nicht weißt«, sagte ich. »Wenn wir zusammenzögen, bevor du mich richtig kennst, würdest du das sehr bereuen.«
    Anton lächelte. »Das glaube ich nicht. Aber du kannst ja mal eine Liste machen, mit allem, was ich noch nicht über dich weiß.«
    »Was?«, fragte ich bestürzt. Lieber Anton! Ich fürchte mich vor deiner Tochter. Ich habe meinen Eltern noch nichts von dir erzählt. Ich hasse Golf. Ich schwimme wie eine Bleiente. Ich ...
    »Das war nur ein Scherz«, sagte Anton. »Ich weiß bereits alles über dich, was ich wissen muss. Du bist klug, schön, liebenswert, großzügig, witzig, sexy. Wahnsinnig gut im Bett.«
    Ich begann, mich ein wenig zu entspannen. Hätte er gesagt »Ich liebe dich nur, weil du gerne Golf spielst, meine Tochter anhimmelst und früher mal Rettungsschwimmerin warst«, hätte ich mir vielleicht Sorgen machen müssen. Dafür, dass er mich klug, schön und liebenswert fand, würden meine Eltern und Lorenz und noch ein paar andere, die mich kannten, ihm zwar einen Vogel zeigen, aber über Geschmack ließ sich bekanntlich nicht streiten.
    Und was meine Leistung im Bett anging: Jahrzehntelang war ich diesbezüglich im Dunkeln umhergetappt, im wahrsten Sinne des Wortes. Meine Erfahrungen mit Männern waren eher spärlich bis gar nicht vorhanden. Und Sex mit Lorenz konnte man haben, musste man aber nicht. Erst als ich Anton kennen lernte, begriff ich, dass es diese berühmte »Chemie« zwischen zwei Menschen wirklich gibt. Bei jeder seiner Berührungen schmolz ich einfach so dahin. Alles was ich tat, geschah völlig planlos und von ganz allein. Ich staunte manchmal selber über mich. Sollte ich jemals meine Memoiren verfassen, würde darin auf jeden Fall ein Kapitel mit der Überschrift: »Mein Coming-Out als Sexgöttin« vorkommen.
    In einem der esoterischen Beziehungsratgeber, die Trudi mir ständig aufzwang - »Warum Männer meinen, was sie sagen und Frauen trotzdem was anderes verstehen« oder so ähnlich - hatte ich gelesen, dass guter Sex allemal besser sei als ein schlechtes Gespräch. Also strich ich mir die Haare aus dem Gesicht und warf Anton einen verführerischen Blick zu.
    »Wir haben noch zwei Stunden«, sagte ich, schob Senta und Berger in den Flur hinaus und schloss die Tür. Die Katzen mussten noch ein bisschen auf ihr Frühstück warten, das hier war wichtiger. Ich ließ den Bademantel über meine Schultern gleiten und zu Boden fallen. »Das mit dem Zusammenziehen muss ja nicht gleich heute sein, oder?«
    »Nein. Nächste Woche reicht völlig.« Anton schlug einladend die Bettdecke zurück. Und er guckte so zärtlich und so treuherzig, dass mir ganz warm ums Herz wurde.
    Armer, verblendeter Liebling.
    »Als ich acht war, habe ich mal im Winter an einer Straßenlaterne geleckt und bin daran kleben geblieben«, platzte ich auf halbem Weg zum Bett heraus. »Sie mussten die Zunge föhnen, um mich freizukriegen. Wie findest du das?«
    Anton zog eine Augenbraue hoch. »Ähm - lustig!«
    »Nein, das war nicht lustig. Das war typisch.«
    »Okay«, sagte Anton. »Als ich acht war, habe ich meinem Onkel Kurt eine Kartoffel in den Auspuff seines BMW gesteckt. Wie findest du das!«
    »Ich glaube, du hast nicht verstanden, worum es mir geht. Ich möchte dir die dunklen Seiten meiner Persönlichkeit näher bringen.« Bevor es jemand anders tut.
    Jetzt guckte Anton lüstern. »Komm her, und zeig mir deine dunklen Seiten«, sagte er.
    * * *
    Normalerweise brachte Lorenz die Kinder nach dem Papa-Wochenende mit dem Auto zurück, aber heute sollte ich sie ausnahmsweise schon am Sonntagvormittag abholen, weil er und Paris für eine Woche nach Venedig flogen.
    Pünktlich um halb elf stand ich also vor Lorenz' Wohnungstür. Es war ein bisschen seltsam, sich vorzustellen, dass das im letzten Winter auch noch meine Wohnung gewesen war. Ich hatte so gar keine heimatlichen Gefühle für diesen Ort mehr übrig. Umso weniger, weil es nun der Ort war, an dem sich meine Kinder jedes zweite Wochenende aufhielten - ohne mich. Jedes Mal, wenn Lorenzsie abholte, war mir zum Heulen zumute. Und jedes Mal, wenn sie zurückkamen, hatte ich das Gefühl, sie wären jahrelang von mir getrennt gewesen.
    Nelly machte mir die Tür auf. Mit ihren vierzehn Jahren war sie nur noch fünf Zentimeter kleiner als ich und sah mir auch sonst recht

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