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Gegensätze ziehen sich aus

Titel: Gegensätze ziehen sich aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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gesagt.
    »Können wir jetzt endlich?« Nelly schlenkerte ungeduldig mit ihrem Schlafesel. »Ich will noch was von diesem Sonntag haben!« Was wohl bedeutete, dass sie den Rest des Tages mit Kevin rumknutschen wollte.
    »Wiedersehen«, sagte Julius, gab Paris einen Kuss und streichelte Lorenz über ein Hosenbein. Dann hängte er sich wieder um meinen Hals wie ein Pavianbaby.
    »Wir haben versucht, ihm zu erklären, dass sogar der Weihnachtsmann Lava-Lampen hässlich findet«, sagte Paris. »Aber er will immer noch eine haben.«
    Julius seufzte schwer.
    »Ich glaube nicht, dass der Weihnachtsmann Lava-Lampen hässlich findet«, sagte ich. »Er hat mir mal eine Zitruspresse in Form eines Schneemanns geschenkt.«
    »Weil er dachte, dass dir so was gefällt«, sagte Lorenz, nicht im Mindesten peinlich berührt.
    »Ja, genau so sehr wie die elektrischen Salz- und Pfeffermühlen, die Jingle Beils spielen konnten.« Ich grinste. Lorenz' Weihnachtsgeschenke gehörten auch zu den Dingen, die ich in meinem neuen Leben nicht vermisste. »Ich wünsche euch einen schönen Urlaub.«
    »Gleichfalls«, brummte Lorenz, obwohl ich keinesfalls vorhatte zu verreisen.
    »Wir schreiben euch eine Karte«, sagte Paris. »Jedem eine eigene.«
    »Klar, wir haben ja auch sonst nichts zu tun«, sagte Lorenz.
    Nelly war schon die Treppe hinuntergelaufen. Julius und ich holten sie erst an der Haustür wieder ein, wo ihre grundsätzlich eher mürrische Miene einem strahlenden Lächeln gewichen war. Sie hatte Antons Jaguar am Straßenrand stehen sehen.
    »Oh, wie geil ist das denn? Anton hat dir seinen Schlitten geliehen?«
    Ich ließ mit der Fernbedienung die Verriegelungen hochschießen und bemühte mich um einen lässigen Gesichtsausdruck.
    »Ist der verrückt? Weiß der nicht, wie fürchterlich du Auto fährst?«
    »Nein«, sagte ich und warf die Taschen der Kinder in den Kofferraum. Nein, das wusste Anton nicht, und ich wollte es ihm auch nicht erklären, wo er doch gerade noch die Sache mit meiner festgefrorenen Zunge verarbeiten musste. »Er wollte nicht, dass wir bei dem Regenwetter mit der Bahn fahren müssen.«
    »Das ist aber echt nett von ihm«, sagte Nelly.
    Ich besaß kein Auto, ich brauchte auch keins. In der Insektensiedlung gab es alle wichtigen Geschäfte in Lauflage, man konnte wunderbar mit dem Fahrrad fahren, und bis in die Innenstadt waren es nur sechs Stationen mit der U-Bahn. Ein Auto wäre eine vollkommen überflüssige Anschaffung gewesen. Mangels Fahrpraxis fuhr ich wirklich nicht besonders gut, da hatte Nelly recht. Aber wenn man in einem Jaguar hinterm Steuer sitzt, spielt das gar keine Rolle. Das Auto fährt sich praktisch von selber.
    Selbst das Einparken war überhaupt kein Problem gewesen. Als ich vorhin angekommen war, war der Seitenstreifen vor dem Haus wie durch ein Wunder fast leer gewesen. Ein Schlenker mit dem Lenkrad und - schnurr - war das Auto perfekt geparkt. Jetzt allerdings hatten sich schon wieder jede Menge Autos vor und hinter den Jaguar geklemmt.
    Ich schnallte Julius in Emilys Kindersitz fest. Nelly hatte sich nach vorne gesetzt und streichelte die Wurzelholzverkleidung.
    »Was soll Paris dir denn aus Venedig mitbringen?«, fragte ich.
    »Ach, nur ein Paar Gucci-Loafer.« Nelly hatte meine riesigen Füße geerbt und haderte ständig mit dem Angebot in den Läden. »Die gibt es in Italien viel günstiger, und Paris hat so einen tollen Geschmack. Sie sagt, Gucci-Loafer gehören zu den fünf Kleidungsstücken, die jede Frau mit Stil besitzen muss.«
    Wie immer, wenn Nelly so begeistert von Paris sprach, versetztees mir einen kleinen Stich. »Wie fändest du es, wenn wir bald einen eigenen Schuhladen hätten?«, fragte ich. »Trudi, Anne, Mimi und ich.«
    »Im Ernst?« Nelly sah mich überrascht an.
    »Mimi hat schon ein ...« Kalkulations-Dingsda? Mist, wie hieß das noch mal? »... einen Finanzierungsplan erstellt, und morgen gehen wir zu einer Existenzgründungs-Beratung bei der Industrie- und Handelskammer.« Ich bemühte mich, meine Stimme möglichst emotionsfrei klingen zu lassen. »Möglicherweise haben wir sogar schon ein Ladenlokal.«
    »Echt? Wie cool«, sagte Nelly. »Wirklich cool.«
    Ich drehte zufrieden den Zündschlüssel um. Ja, cool. Ich war eine coole Mutter. Nach einer so coolen Mutter hätte ich mir mit vierzehn alle zehn Finger geleckt. Auch heute noch. Und Gucci-Loafer besaß ich auch.
    Unerklärlicherweise machte der Jaguar einen Satz nach vorne, wo er von der Stoßstange eines

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