Gegensätze ziehen sich aus
dass sie noch keine Verhütung braucht, aber sie hat versprochen, Bescheid zu sagen, wenn es so weit ist«, hatte ich erwidert. »Ich meine, bevor es so weit ist.«
»Wenn du dich auf das Wort einer Vierzehnjährigen verlässt, bist du bekloppt«, hatte Lorenz gesagt.
Möglicherweise war ich ja bekloppt, aber noch bekloppter fand ich es, eine Vierzehnjährige zu zwingen, die Pille zu schlucken, obwohl sie noch gar keinen Geschlechtsverkehr hatte. Zumal sie nicht mal Pickel hatte.
»Weißt du was?« Anne lachte, und ich konnte wieder einmal ihre Grübchen bewundern. »In ein paar Jahren schreiben wir beide einen Ratgeber: Die Patchworkfamilie - 1000 legale Tricks zum Überleben. Das wird garantiert ein Bestseller.«
»Ja, und dann bekommen wir eine eigene Erziehungs-Ratgeberseite in Eltern«, sagte ich. »Fragen Sie die Mütter-Mafia. Das heißt, wenn Emily mich bis dahin nicht weggemacht hat.«
»Ach, du wirst dich doch von einer Sechsjährigen nicht unterbuttern lassen!«
Ich war mir da nicht so sicher und schaute betreten zu Boden. Dabei fiel mein Blick auf Annes glitzernde Sandaletten. »Neu?«
»Jahaa«, sagte Anne ein bisschen verlegen. »Sie haben mir vom Schaufenster aus zugewunken. Kauf uns, kauf uns, wir machen dich schön, haben sie geflüstert, und da konnte ich einfach nicht widerstehen. Zumal heute Morgen meine Lieblingsjeans nicht mehr zuging. Die Verwandlung in einen Wal hat begonnen.«
Ich war ein bisschen erleichtert, dass ich nicht die Einzige war, die von Schuhen im Schaufenster angesprochen wurde. Annes Schuhe winkten und flüsterten, meine lächelten.
»Manche schreien auch«, sagte Anne.
Oh, ja, das war richtig. Aber die schreienden Schuhe kaufte ich nie. Ich mochte die zurückhaltenden lieber. Die, deren stilles Lächeln man erst auf den zweiten Blick bemerkte. Das waren meistens auch die, bei denen man fast in Ohnmacht fiel, wenn man den Preis entdeckte.
»Trudi will, dass die Mütter-Mafia einen Schuhladen aufmacht«, sagte ich. »Sie behauptet, Schuhe machen Frauen glücklich. «
»Da hat sie ausnahmsweise mal recht«, sagte Anne. »Diese Sandaletten haben heute meinen Tag gerettet.«
»Trudi sagt, mit einem Schuhladen könne man die Welt verbessern. Sie wartet nur noch, dass das Universum uns das passende Ladenlokal vom Himmel wirft.«
Anne zog ihre Stirn kraus. »Haushaltswaren Moser im Rosenkäferweg macht dicht. Ich habe dort heute ein Salatschüssel-Set zum Ausverkaufspreis erstanden.«
»Oh, wirklich?!« Das Ladenlokal von Moser hatte noch diese wunderbaren Schaufenster, die in einem Viertelkreis auf die Eingangstür zuschwangen. Und wenn man sich Mosers klobige Leuchtreklame wegdachte ... Ich räusperte mich. »Sicher stehen dort die Leute Schlange wegen einer Übernahme.«
»Ja, bestimmt«, sagte Anne sofort. »Der Rosenkäferweg ist ja auch eine super Lage für ein Geschäft. Unwahrscheinlich, dass der Laden noch zu haben ist.«
Wir schwiegen ein paar Sekunden.
»Ein Schuhladen also«, sagte Anne. »War das wirklich Trudis Idee?«
Ich nickte.
»Ich sage es ja ein bisschen ungern, aber die Idee gefällt mir«, sagte Anne. »Ich meine, hier in der Siedlung gibt es ja kaumKonkurrenz. Nur diesen überteuerten Hänsel-und-Gretel-Kinderschuhladen und die Gesundheitsschuhabteilung vom Sanitätshaus Hermanns.«
»Das stimmt«, sagte ich.
»Aber natürlich habe ich schon einen Job«, sagte Anne. Sie war Hebamme von Beruf. »Und wer weiß, ob man mit Schuhen überhaupt Geld verdienen kann.«
»Genau«, sagte ich. Wieder schwiegen wir eine Weile. »Auf der anderen Seite, wenn man es richtig gut aufzieht ... - Schuhe braucht schließlich jeder.«
»Also, man könnte ja mal mit Moser reden«, sagte Anne. »Vielleicht hat er ja noch nicht entschieden, wem er den Laden übergibt. Ich meine, so ganz unverbindlich nachfragen kostet ja nichts.«
Ich nickte nur. In Gedanken schob ich bereits die Toaster, Mixgeräte, Joghurtbereiter und Salatbestecke aus Mosers Schaufensterauslage beiseite und stellte stattdessen Schuhe hinein: glitzernde Riemchen-Sandaletten, hochhackige Pumps, bestickte Ballerinas, weiche Wildlederstiefel - lauter glücklich machende Schuhe.
Plötzlich war mir danach, die Welt zu verbessern.
Fragen Sie die Patin
Die exklusive Familienberatung
der streng geheimen Mütter-Mafia
Liebe Mütter-Mafia, ich erziehe meine Kinder frei von Zwängen und Einschränkungen. Ein Beispiel zum besseren Verständnis: Dennis (3) möchte nur in die Badewanne, wenn
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