Gegensätze ziehen sich aus
gewesen, als Lorenz mich abservierte, aber mittlerweile war mir klar, dass es das Beste war, was mir passieren konnte. Dank Lorenz hatte ich ein neues Leben, ein neues Haus, neue Nachbarn, neue Freundinnen — und Anton.
Lorenz hatte Paris, das umwerfend schöne und intelligente Fotomodell, und hätte auch glücklich und zufrieden sein müssen. Aber seit Paris mit Zwillingen schwanger war, hatte ich den Eindruck, dass er ein wenig mit seinem Schicksal haderte. Er war uns ja gerade erst losgeworden, um ein Leben ohne Verantwortung und voller Spontaneität, Spaß und Sportwagen zu führen. Mit Zwillingsbabys konnte er das für die nächsten zehn bis zwanzig Jahre getrost vergessen. Eine gewisse Schadenfreude konnte ich mir daher manchmal nicht verkneifen.
Aber auch in meinem neuen Leben gab es ja durchaus den ein oder anderen Wermutstropfen.
Emily. Meine Eltern. Golf.
Nein, das ist kein Druckfehler, ich meinte wirklich Golf, nicht Rolf oder Wolf, die vielleicht bei anderen Leuten für Probleme sorgen. In Antons Familie spielten alle Golf. Und alle Freunde und Bekannte von Anton spielten ebenfalls Golf. Sogar Emily spielte Golf, mit ganz niedlichen kleinen Schlägerchen, Handschühchen und einer putzigen karierten Schirmmütze.
Anton war überzeugt davon, dass allen Menschen, die nicht Golf spielten, ein grundlegendes Element zu einem erfüllten Leben fehlte, und deshalb hatte er mir einen Schnupperkurs inseinem Golfclub geschenkt. Ich hatte mir sofort eine putzige karierte Schirmmütze gekauft mit dazu passenden Hosen. Aber das hatte nichts genutzt: Von allen Teilnehmern war ich mit Abstand die talentfreiste gewesen. Die einzige, der sich die Regeln nicht erschlossen hatten. Die einzige mit karierten Hosen. Und die einzige, die dem Trainer den Golfschläger in die Kniekehlen gedonnert hatte. Aus Versehen natürlich, auch wenn er das nicht zu glauben schien.
»Und? Hat es Spaß gemacht?«, hatte Anton mich gefragt, als ich nach Hause gekommen war.
Die korrekte Antwort wäre »Nein« gewesen. Aber ich brachte es einfach nicht übers Herz, Anton zu enttäuschen. Außerdem wollte ich nicht undankbar wirken. Also lächelte ich und sagte, dass ich es toll gefunden hätte.
Das war ein dummer Fehler gewesen. Denn jetzt hatte Anton mich für einen weiteren Kurs angemeldet: Zur Platzreife in nur vierzehn Trainings-Tagen.
Aber niemand konnte mir Schwarzseherei nachsagen: Ich hatte mir von meiner Freundin Mimi jede Menge Schläger geliehen und ein Buch mit dem Titel »Golf für Dummies« bestellt. Und ein Paar hübsche Golfschuhe. Aus Liebe zu Anton würde ich mich da schon durchbeißen.
* * *
Das Unangenehme an den Elternabenden im Kindergarten ist, dass man stundenlang auf den winzig kleinen Stühlchen der Kinder sitzen muss. Wenn man wie ich einen Meter achtzig groß ist und Beine hat, die einem bis unter die Achseln reichen, ist es besonders schwierig, eine bequeme und dennoch schickliche Position zu finden. Da ich keinen Bandscheibenvorfall erleiden wollte,blieb mir nichts anderes übrig, als meine Riesenfüße bis in die Kreismitte vorzuschieben, wodurch alle Anwesenden ausgiebig Gelegenheit hatten, meine neuen Schuhe zu bewundern. Wirklich hübsche Schuhe erkennt man übrigens daran, dass sie auch noch in Größe 42 gut aussehen.
»Hallo«, sagte ich zu der Mutter links neben mir. »Ich bin Constanze. Die Mutter von Julius.«
»Hallo«, sagte die Frau und lächelte mich an. Sie hatte es geschafft, ihre Beine elegant übereinanderzuschlagen. »Ich bin die Mami von Dennis, dem mit dem Toff-Tog-Klamotten.«
»Ach, Dennis ist doch der, der immer alle beißt«, erwiderte ich. Julius und sein Freund Jasper berichteten mir täglich von Dennis' Beißattacken. Er biss nicht nur die Kinder und die Erzieherinnen, sondern auch in die Tischplatte und die Wassergläser, und das fanden die Kinder komisch.
Dennis' Mutter stellte abrupt das Lächeln ein. »Das macht er nur, weil er sich nicht anders ausdrücken kann«, fauchte sie und drehte sich beleidigt weg.
Ach herrje, ich hatte sie doch gar nicht beleidigen wollen. Ich hatte nicht mal die Absicht, ihr Vorwürfe zu machen, weil ihr kleiner Toff Tog (mangels anderer Ausdrucksmöglichkeiten, wie ich ja jetzt wusste) meinem Sohn das halbe Ohr abgebissen hatte. Ich meine, so was kommt halt vor unter Kindern. Aber vielleicht sollte ich nachher mal anregen, dass die Erzieherinnen bedürftigen Kindern wie Dennis ein paar saftige Schimpfwörter beibrachten, damit sie nicht mehr
Weitere Kostenlose Bücher