Gegenwind
Schlangen. Sie glitten über Jadens Gesicht, strichen fast zärtlich über seinen Bart – und gruben sich in seine Nasenlöcher. Schmerz explodierte in Jadens Kopf. Er wollte schreien. Er wollte zurückweichen. Doch er konnte sich nicht bewegen.
Kell atmete tief ein, als seine Fühler sich in das Gewebe oberhalb von Jaden Korrs Nase fraßen. Jedes Mal, wenn eine Membran zerriss oder eine Ader auseinanderplatzte, zuckte er vor ekstatischer Freude zusammen. Vor seinen zusammengekniffenen, verdrehten Augen sah er ihre Daen Nosi . Sie wirbelten wild umher, vereint in einem letzten Tanz. Ihre hektischen Bewegungen spiegelten die Aufregung des Anzati und die Qualen des Jedi wider, und als sie immer mehr zu einem Strom aus Silber, Grün und Rot verschmolzen, konnte selbst Kell sie kaum noch auseinanderhalten. Er wankte, und der Gedanke, dass seine jahrhundertelange Suche nun endlich vorbei war, ließ ihn heftigen Schwindel empfinden. In wenigen Sekunden würde er das Bewusstsein, den Geist, die Suppe des Jedi verschlingen – und dann würde sich ihm die Wahrheit über das Schicksal und das Universum eröffnen.
Er sah zu, wie seine Daen Nosi sich enger um Jaden Korrs Schicksalslinien legten, sie mit den zielgerichteten Bewegungen einer Würgeschlange erdrosselten. All die Fasern, aus denen sich die Fäden des Jedi zusammensetzten – die Möglichkeiten, die Zufälle, die ungeschriebene Zukunft –, verblassten, als Kells Fühler sich noch tiefer in den Schädel des Jedi bohrten, seinem Gehirn entgegen. Korrs Augen wurden glasig, sein Körper zuckte.
Der Anzati kniff die Augen noch fester zusammen. Er wollte sehen, wie die Zukunft des Jedi endete, wie sein schillerndes Silber das Rot und Grün erstickte – doch nichts dergleichen geschah.
Stattdessen sah Kell vor sich, wie Jaden Korrs Daen Nosi sich aus der tödlichen Umklammerung lösten und stark und mächtig weiterflossen. Nun waren es Kells Fäden, die durchtrennt wurden, zerschnitten von mattgrauen Linien eines anderen, die wie aus dem Nichts in seinem Blickfeld auftauchten.
Die Mündung eines Blastergewehrs drückte kalt und hart gegen Kells Schläfe.
Er zuckte zusammen, allerdings nicht wegen der Waffe – er spürte die Berührung kaum. Sein Geist hatte der Realität den Rücken gewandt, war ganz in das Flechtwerk des Universums vertieft. Vor seinen Augen glitten die Daen Nosi der drei parallel durch das Netz des Schicksals, und je näher sie dem Punkt kamen, an dem Kells Faden endete, desto heller wurde die Unendlichkeit ringsum. Er streifte die Beschränkungen seines Vorstellungsvermögens ab, öffnete seinen Geist für die Wahrheit. Vor ihm formte sich ein Muster im Chaos des Universums, und in diesem glühenden, glorreichen Muster entdeckte der Anzati den Sinn des Lebens – den Sinn seines Lebens.
»Danke«, sagte er.
Als plötzlich Khedryn neben dem Anzati auftauchte, glaubte Jaden, er würde delirieren. Sicher war es nur eine Projektion seines Gedächtnisses, das ihm wahllos Bilder aus seinem Leben zeigte, um ihm den Tod zu erleichtern. Doch dann erkannte er, dass etwas an diesem Bild nicht stimmte. Khedryns Nase war zertrümmert, und sein Gesicht so sehr geschwollen, dass seine Augen nur noch schmale Schlitze waren. Außerdem hielt er das BlasTech-E-11-Blastergewehr in der Hand, das sie in der Waffenkammer entdeckt hatten, und drückte Kell Douro die Mündung an den Kopf.
»Danke«, sagte Kell Douro. Seine Augen waren glasig, sein Mund hing weit offen. Er sah aus, als hätte er gerade eine gewaltige Überdosis einer Glücksdroge genommen. Die Tentakel schoben sich noch ein Stück höher, zerfetzten Gewebe und Knorpel, während sie sich einen Tunnel in Jadens Gehirn gruben.
»Danke?«, wiederholte Khedryn. Seine Stimme klang um mindestens eine Oktave höher als sonst. »Gern geschehen!«
Er drückte ab. Der Kopf des Anzati verwandelte sich in eine rote Wolke – und erst da erkannte Jaden, dass er sich Khedryn nicht nur einbildete. Kell Douros Körper sackte in einem Blutregen nach vorne, und die Fühler, die immer noch im Schädel des Jedi steckten, zuckten ein letztes Mal, dann erschlafften sie und rutschten aus seiner Nase. Blut strömte in seinen Bart, in seinen Mund. Er stöhnte, verlor das Gleichgewicht und kippte nach hinten. Khedryn eilte zu ihm hinüber, legte ihm eine Hand um die Schulter und zog ihn wieder auf die Beine.
»Geht es dir gut, Jaden?«
Jaden blinzelte. Khedryns Stimme klang gedämpft, als würde sie tausende Kilometer
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