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Gegenwinde

Gegenwinde

Titel: Gegenwinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Adam
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das Meer eine gleißende Fläche, in der Ferne verlor es sich in lavendelblauem Nebel. Ein Pferd trabte an mir vorbei, der Reiter saß sehr aufrecht und grüßte mit einer Handbewegung. Ich lag neben dem Kajak und trank den Rest des Whiskys, den ich am Abend zuvor gekauft hatte. Ich schloss die Augen, die frische Luft strömte in meine Lungen, die Sonne kitzelte meine linke Wange, ich spürte, wie sie sich rötete. Mit einer Hand strich ich über das Plastikboot, das sich auch langsam erwärmte, mit der anderen grub ich im eiskalten Sand, ich hatte ihn überall, im Nacken im Haar in den Socken. Ich hörte Hufgetrappel, das Tier galoppierte auf die Landspitze zu, dann machte es kehrt. Als es wieder vorbeilief, öffnete ich kaum die Augen. Es trabte davon, ich schlief ein, die Ebbe nahm das Wasser mit.
    Als ich erwachte, lagen gut drei Meter zwischen mir und dem Kajak, meine Hände fuhren durch den Strandhafer wie durchs Haar eines Riesen. Der Strand war verlassen und frostig, in rosafarbenes Licht getaucht. Ich zog das Boot ins Wasser, ich musste bis über die Knie hinein, ich hatte das Gefühl, die Beine fallen mir ab. Sie blieben die ganze Zeit taub. Ich paddelte, die kalte Luft kratzte mich im Hals, Arme Oberkörper Schultern, alles glühte schmerzhaft. Meine Ohren und meine Hände wurden zu Eis, mein Blut erstarrte. Die Insel in der Ferne schien mit jedem Paddelschlag vor mir zurückzuweichen, vom Strand aus glaubte man sie mit dem Finger berühren zu können, aber im Gewoge der Fluten wurde sie unerreichbar. Die Sonne spiegelte sich in Lachen flüssigen Silbers, die Vögel flogen in weiten Bögen um mich herum, ihre durchdringenden Schreie zerrissen mir das Trommelfell, mir schwirrte der Kopf, aber der Kajak glitt über das Wasser wie über ein Meer aus Eis, flitzte in glatten, berauschenden Schwüngen dahin. Die Inselchen zeichneten sich als zahnlose Hindernisse ab, im Westen steckte die Sonne Fréhel in Brand. Abgestufte Farbtöne lagen in regelmäßigen Streifen übereinander, die ganze Palette von weiß bis lila, eine unwahrscheinliche Farborgie. Neben mir schossen Basstölpel über das Wasser, mit ausgestreckter Hand hätte ich sie spüren, ihre nassen Federn streifen können. Ich passierte eine Klippe, von ihrer Spitze herab beäugte mich ein Kormoran, mit ein paar Flügelschlägen kam er näher, stürzte sich dann ins Wasser, um ein paar Meter weiter mit einem Fisch im Schnabel wieder aufzutauchen. Ich hatte noch nicht die Hälfte der Strecke zurückgelegt und war am Ende meiner Kraft, die Sonne stand schon tief. Ich machte eine Pause, ausgestreckt auf dem Boot, das Paddel neben mir, den Blick mit klarem Kopf gen Himmel gerichtet, dann schloss ich die Augen, und alles begann zu schwanken. Ich überließ mich der Bewegung des Wassers, wurde eins mit dem Schlingern, spürte meinen Körper nicht mehr. Da erschien mir Sarah, ruhig, friedlich, ein gütiges Licht in der Finsternis, ein Kerzenschein im Aschgrau. Es war, als käme sie direkt aus dem Himmel, ich folgte ihr durch die Straßen einer unbekannten Stadt, ihr orangefarbener Rock sah unter ihrem beigen Regenmantel hervor, ich starrte auf ihre weißen Knöchel, auf den Schwung der Waden, die Gasse führte zum Meer hinunter, schlängelte sich an gekachelten Fassaden entlang, Glyzinien wucherten über die Mauern, sie drehte sich um, ihr Gesicht war sehr rein und ausgeruht, sie hauchte mir einen Kuss zu, bevor sie verschwand. Ich schlug die Augen auf, und sie war da, mit nackten Schultern und beinahe entblößtem Busen beugte sie sich über mich, sie zog ihre rote Seidenbluse aus und suchte mit ihrer Zunge meinen Mund, ich spürte das zarte Gewicht ihrer Brüste auf meinem Oberkörper, mit der Hand knöpfte sie meine Jeans auf, nahm meinen Schwanz und führte ihn in ihre feuchte Höhle. Ich hörte die Vögel schreien, aber ich sah nur noch sie, ihre Augen ihren Mund ihre Schultern ihre Brüste, mich durchfuhr ein heller, glänzender Strahl, ein stechender Blitz. Danach gab es nur noch den dunklen Samt der Nacht mit den Stecknadelköpfen der Sterne. Der Kajak trieb in den Wellen, die Temperatur sank unablässig, ich klapperte mit den Zähnen und spürte meine Glieder nicht mehr. Ich begann wieder zu paddeln, unter dem Boot wogte das Meer, bebend und muskulös, hart wie eine Kruste. Die Insel in der Ferne war kaum zu erkennen, ein flacher Schatten. Schließlich kam ich ans Ufer, der Mond schien auf den harten Sand. Ich legte mich hin, ein zusammengerolltes

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