Gegner des Systems
Amorphus. Über der Erde ist ein ganzer Irrgarten von Fallen und Minen. Wenn jemand in das Rohr hineinkommt, dann sehen wir auf einem Monitor, wer es ist. Wenn es jemand von uns ist, schicken wir die Kapsel; wenn nicht, dann können wir das Rohr innerhalb einer Sekunde zur Hölle machen. Wenn wir uns draußen umsehen und merken, daß dort Rehabs sind, jagen wir einfach die ganze Sache in die Luft, mit dem Rohr und allem. An unserem letzten Standort mußten wir das machen. Wir brauchen ungefähr zwei Wochen, um das Rohr neu zu verlegen, aber das ist es uns allemal wert.“
Ein neuer Ruck warf sie alle nach vorn über Brendan, der zu stöhnen begann. Eve fühlte seinen Puls.
„Ist Stark wieder hingefallen?“
„Nein. Das ist die letzte Fahrt. Stark hat den Tunnel gesprengt.“
Sie lehnten sich in die andere Richtung, als die Kapsel langsamer wurde. „Wir sind da.“
„Das ging aber schnell. Was jetzt?“
„Im Labor steht noch ein Diminutor. Stark kommt auf Normalgröße zurück, holt uns aus der Tasche, setzt uns unter den Diminutor, und wir haben dann auch wieder unsere normale Größe.“
„Je früher, je lieber. Brendan kommt wieder zu sich.“
Stark stieg an einer freistehenden Stelle des Rohrs aus, die auf dem Boden des Labors verlief. Er ging zu dem roten Punkt, stellte sich darauf und sah nach oben. Hunderte von Metern über ihm lächelte ein Mann mit einem gestreiften T-Shirt und einem großen Schnurrbart zu ihm herunter und drückte auf einen Knopf. Einen Augenblick später sah Stark ihm direkt in die Augen.
„Vielen Dank, Cal.“
„Wo sind denn Light und Brendan?“ fragte der Mann mit dem Schnurrbart.
Stark machte die Tasche auf und holte sie einzeln heraus. Light und Welsh schleppten und hoben Brendan auf die gekrümmten Finger. Sie verschwanden aus der Tasche wie ein Kran, erschienen wieder, und Light trat ruhig auf sie zu. Eve zuckte leicht zurück, bis Welsh sie bei der Hand nahm. Als die Finger wieder erschienen, kletterten sie zusammen darauf. Sie spürten, wie sie zuerst angehoben und dann Hunderte von Metern zu einem roten Punkt auf dem Fußboden herabgelassen wurden, wo Light schon auf sie wartete.
Brendan lag bereits in seiner vollen Größe links neben dem Punkt. Light hatte offensichtlich aus Höflichkeit auf sie gewartet. Welsh wußte die Geste um Eves willen zu schätzen. Es hätte sie noch mehr beunruhigt, mit vier Riesen in einem Raum zu sein, die alle, obwohl sie jetzt Freunde waren, noch vor zwei Tagen völlig fremd für sie gewesen waren. Brendan auf ihrer linken Seite sah aus wie eine Gebirgskette oder ein riesiger Dinosaurier, den wer weiß welche Macht gefällt hatte. Er machte mehr den Eindruck eines Toten, als er das in der Tasche getan hatte, und Eve fürchtete schon, daß ihre Diagnose falsch gewesen sei. Jemand anders beugte sich bereits über ihn, aber er schien sich in Zeitlupe zu bewegen.
Sie spürten wieder ein Kribbeln und sahen auf einen Brendan herab, der plötzlich sehr viel kleiner aussah. Obwohl er aber jetzt ihrer Größe näher kam, war er doch noch riesig. Eve trat von dem Punkt herunter und ging auf ihren Patienten zu. Der Arzt hatte Brendan schon auf die Seite gedreht und sah sich die Wunde an. Eve war verblüfft, wie weit sie sich schon geschlossen hatte. Es schien, als hätte sich die Zeit, die sie in verkleinertem Zustand verbracht hatten, angesammelt und die Heilung auf einmal bewerkstelligt.
Brendan war zwar noch bewußtlos, kam aber langsam zu sich. Von ihrer neuen Position aus sah er viel gesünder aus als vom Boden her. Der Arzt sah hoch. „Jemand hat die subklavische Ader sehr gut abgedichtet.“ Eve lächelte. „Krankenschwester?“
Eve schüttelte den Kopf. „Assistenzärztin. Viele innere Blutungen?“
„Nein, nicht viele. Die Ader ist direkt unterhalb vom Einschuß perforiert, aber der größte Teil der Blutungen war kapillar und venös. Ich glaube aber trotzdem, daß eine Transfusion angebracht ist. Das ist das erste Mal, daß ich Brendan bewußtlos gesehen habe, und ich habe schon erlebt, daß er einiges eingesteckt hat. Er braucht auch eine Menge Flüssigkeit.“
„Dann nehmen wir doch Guinness.“
Eve und der Arzt schraken hoch. Brendan drehte seinen Kopf und seufzte. „Guinness intravenös.“
Eve drehte ihren Kopf dem Arzt zu. „Das ist eine Biersorte.“ Eve lächelte verstehend, und der Arzt schüttelte Brendan zugewandt den Kopf. „Du mußt wirklich krank sein, wenn du es intravenös nehmen willst.“
„Wie
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