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Geh aus, mein Herz

Geh aus, mein Herz

Titel: Geh aus, mein Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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mitten unter uns im Schlamm des Grundes gelandet wäre, dachte er. Die Engel sind gelandet, und bald kommen sie herüber mit Fünf-Korn-Brot und zwei Fischen und einem guten spanischen Landwein – Wein, so viel wir wollen. Und er merkte, dass er Hunger hatte, und kehrte zum Frühstück »nach Hause« zurück: Butter, Brot, Aufschnitt, Kaffee, Saft.
    »Hast du den Kerl gesehen?«, hatte er Sixten gefragt, als die Morgensonne in ihre Wohnung im Schlosswald schien, am Morgen nach dem, was vielleicht vorgestern gewesen war.
    »Was?«, hatte Sixten zurückgefragt, aber er sagte oft ›was‹, und Janne-Janne begriff, dass es sinnlos war, weiterzureden. Sixten war jetzt am Morgen wie ein eben entdeckter Krater auf der Rückseite des Mondes, auf the dark side of the moon, wie eine von Janne-Jannes Platten hieß, die er besessen hatte, als er noch ein richtiges Zuhause hatte.
    Aber es waren andere da, mit denen er reden konnte. Das hatte er getan. Er hatte eine Entdeckung gemacht. Verdammt komisch, was er da gehört hatte: Snuven und Åkarn Andersson erzählten, sie hätten von welchen gehört, die morgens unter einer Decke aufgewacht waren. Sie konnten sich nicht daran erinnern, sich zugedeckt zu haben, als sie in die Falle krochen. Und als er gestern in aller Ruhe einen Halben mit Freund Lelle im Hagaparken teilte, da hatte Lelle gesagt: »Also, ich hab hier im Hagaparken gelegen, und plötzlich merk ich was, und dann bin ich plötzlich zugedeckt.«
    »Unter uns gibt’s einen barmherzigen Samariter«, sagten sie, und darauf tranken sie einen. Aber Janne-Janne gefiel das nicht so recht, und er hatte mit Sven geredet, dem Hausmeister im Tagesheim, und sie waren sich einig gewesen, dass an der Sache irgendwas faul war.
    »Janne!«
    Noch kein Happen im Bauch und schon schrien sie nach einem. Er sah auf, sah Sven am Tresen zusammen mit einem Stutzer, der sich weiß Gott wieso hierher verirrt hatte. Firma im Eimer, ha, ha, willkommen, Bruder. Er ging dahin, wohin er sowieso schon unterwegs war. Sven sah verdächtig freundlich aus.
    »Janne, hast du mal einen Augenblick Zeit?«
    »Nee, ich frühstück doch grade.«
    »Hier ist jemand, der sich mit dir unterhalten möchte.«
    Janne-Janne warf dem »Jemand« einen Blick zu. So hatte er früher vielleicht auch mal ausgesehen, abgesehen vom Schnurrbart. Er roch förmlich den Bullen.
    »Ich hab nichts verbrochen«, erklärte er.
    »Aber nein«, sagte Ove Boursé und zeigte ihm diskret seinen Ausweis, »ich möchte Ihnen nur ein paar Fragen stellen. Könnten Sie mir in das Hinterzimmer folgen?«
    Er folgte ihm, er hatte ja keine andere Wahl. Er wusste, um was es ging. Er sollte es besser wissen, hätte lernen sollen, sein Maul zu halten. Er wurde gefragt, was er erwartet hatte. Er antwortete, erzählte und merkte nach einer Weile, dass ein bisschen Abwechslung gar nicht so schlecht war. Ein Gespräch mit einem gebildeten Mann.
    »Würden Sie diesen Mann wiedererkennen?«
    »Schon möglich, wenn ich ihm mal begegne.«
    »Wir werden nach Ihrer Beschreibung ein Phantombild anfertigen.«
    »Ist das nötig? Es ist doch kein Verbrechen, Decken an Leute zu verschenken, die ein bisschen frieren.«
    »Nein, nein, aber etwas merkwürdig ist das doch.«
    Janne-Janne strich sich übers Kinn.
    »So was hab ich noch nie gehört. Andererseits, ich bin zwar unrasiert, aber so viel kapier ich doch, dass die Polizei nicht kommen und nach einem fragen würde, der Decken in der Stadt verteilt, wenn nicht was anderes dahinter steckte.«
    Boursé tat so, als hätte er nichts gehört, fragte weiter, nach anderen Sachen.
    »Wie viele Male? Da müssen Sie die Jungs schon selber fragen, ich kann nur für mich allein antworten. Wen? Ich werd’s Ihnen sagen, aber wo sie sind, weiß ich nicht. Lelle frühstückt gerade, aber sagen Sie ihm nicht, dass Sie es von mir wissen.«
    Hinterher sprach Ove Boursé mit Freund Lelle, er musste ihm die Worte einzeln aus dem Mund ziehen, wie ein Zahnarzt Zähne zog.
    Der Morgen war in den Vormittag übergegangen, als Boursé herauskam, und es war später Abend, als er die Stadt auf der Suche nach den Abgebrannten und Obdachlosen abgegrast hatte. Er blieb lange in seinem Büro sitzen. Nur die Schreibtischlampe beleuchtete den Raum, während seine Schuhe neben der Tür und die Strümpfe auf der Heizung trockneten. Boursé legte ein Puzzle, und gegen Mitternacht hatte er einige Teile zusammengefügt – nicht alle, aber genug, dass ihm abwechselnd heiß und kalt wurde. Es gab

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