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Geh aus, mein Herz

Geh aus, mein Herz

Titel: Geh aus, mein Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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im Nacken hatte nachgelassen, es war nicht eine Dauer-Genickstarre geworden. Gut ging es ihm trotzdem nicht. Er war schlecht gelaunt, gereizt. Das Lächeln verschwand auch sofort wieder, er sah Ove ins Gesicht.
    »Aber den guten Lebensstandard haben nicht alle hier im Norden.«
    Boursé wurde etwas ernster; es war, als wäre die Temperatur im Zimmer um vier Grad gefallen. Er begann, mit dem Finger wieder auf seinen Schenkel zu trommeln, und fügte hinzu: »Dieser Janne-Janne hat jemanden gesehen, das ist klar.«
    »Wo ist er jetzt?«
    »Unten am Computer.«
    »Glaubst du, es kommt was dabei raus?«
    »Es wird ein Bild geben. Er war nüchtern, als er kam, soweit ich das beurteilen kann. Er wartet unten in unserem gemütlichen Empfang.«
    Ard stieß die Luft durch die Nase, zog seine Strickjacke aus, in der er immer die fünfzig Jahre spürte, die er bald mit sich herumtrug: ein mittelalterliches Kleidungsstück für einen mittelalterlichen Mann. Aber schön war es.
    »Du ziehst die Jacke aus? Hier ist es doch kalt!«
    Darauf antwortete Sten Ard nicht. Er dachte an die seltsame Geschichte, die Boursé ihm vorgetragen hatte. Wie ernst sollten sie sie nehmen?
    »Also Barmherzigkeit gegenüber Obdachlosen.«
    »So sieht es aus. Eine Decke über den Körper. Jemand hat von einem Streicheln über die Wange erzählt, aber hinterher hat er behauptet, er habe es geträumt.«
    »Diese verdammten Decken. Babington nimmt sich gerade Arbeitsplätze in Göteborg vor, aber was kommt da nicht alles in Frage! Angestellte, Aussteiger, Arbeitslose, Frührentner …«
    »Und nichts von der Forensik.«
    »Musst du wie in einem blöden englischen Krimi reden?«
    Boursé sah kein Lächeln bei Ard. Dies hier war not the time und not the place.
    Ard zog die Jacke wieder an, es war tatsächlich kalt hier drinnen. Er war missgelaunt. Er musste sich zusammenreißen, vielleicht etwas auf Englisch sagen.
    »Die Technik? Not yet. «
    »Das dauert doch zu lange. Wenn man all die Härchen auf den Decken untersuchen will, ist das ja, als würde man in einem Bärenfell suchen.«
    »Scheiße. Stell dir mal eine DNA-Analyse davon vor.«
    »Weck mich, wenn ich pensioniert werde.«
    »Ja, so ungefähr.«
    »Die Obdachlosen. Mit denen müssen wir uns beschäftigen, die müssen wir unbedingt im Auge behalten.«
    Ard schnaubte erneut durch die Nase, schauderte fast. Tausende von Menschen trieben sich dort draußen auf einem Stück Erde herum, das sich langsam immer weiter weg von der Sonne bewegte. Er hatte eine Ziffer von zweitausend gehört, zweitausend Menschen, die außerhalb lebten, in allen nur denkbaren Bedeutungen. Vor einigen Jahren waren es allenfalls zweihundert gewesen.
    »Es gibt also nur noch die Heilsarmee?«
    »Ja. Die Stadtmission hat dichtgemacht. Bei der Heilsarmee kostet es allerdings auch einige Hunderter. Und die Unterkunft vom Sozialamt nimmt genauso viel wie das Sheraton.«
    »Aber die Schlange vor der Heilsarmee ist lang.«
    »Ja, länger als die vor der Oper gegenüber.«
    Sten Ard dachte an Jonathan Wide. Bald würden sie in der Schlange stehen, aber er bezweifelte, dass es Schlangen vor Madame Butterfly geben würde.
    »Ich hab gelesen, dass Göteborg Außenseitern mehr Plätze anbieten kann als Stockholm.«
    »Genau das brauchen wir hier, eine bessere Statistik als Stockholm.«
    »Hier herrscht der Markt«, sagte Ard mit einer Grimasse, »auch Außenseiter müssen Gewinn bringen.«
    »Vielleicht geht es ihnen dann besser.«
    »Ein Bett für die Nacht.«
    »Was?«
    »Ein Bett für die Nacht oder kein Bett für die Nacht zu haben.«
    »Das ist nun das Land, das wir aufgebaut haben.«
    »Ja.«
    »Ich hab auch im Zusammenhang mit Kajsas Entdeckung darüber nachgedacht.«
    »Ja?«
    »Die Einwanderer. Das müsste mal genauer untersucht werden. Die Mehrheit der Außenseiter sind Einwanderer oder stammen aus Einwandererfamilien. Das ist neu, wenn man so sagen darf.«
    »Neu? Du meinst, dass es früher keine Einwanderer gegeben hat, die zu Außenseitern geworden sind?«
    »Nicht hier jedenfalls. Das Auffangnetz der Familien hat früher besser funktioniert.«
    »Jetzt also nicht mehr.«
    »Nicht mehr wie früher. Und wenn es keine Familie mehr gibt, gibt es auch nichts mehr in diesem neuen Paradies.«
    Einwanderer als Obdachlose, eine groteske Art der Gleichberechtigung, dachte Ard. Gleiche Bedingungen für alle. Eine Botschaft: Einwanderer, kommt nicht hierher, ihr nehmt den Schweden die Jobs weg. Die suchen stattdessen Platz unter einem

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