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Geh aus, mein Herz

Geh aus, mein Herz

Titel: Geh aus, mein Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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sie spürte den scharfen Schmerz hinter dem linken Auge, Nebel legte sich wie ein Vorhang über ihren Blick, Übelkeit. Sie ging zur Toilette, das kalte Wasser zog den Vorhang von ihrem Gesicht, sie begann wieder zu atmen. Ich bin zu empfindlich für das alles. Sie holte tief Luft und kehrte zurück. Im Korridor begegnete sie Ove Boursé.
    »Was ist, Kajsa, du siehst so blass aus?«
    »Komm mal mit.«
    »Wa…«
    »Komm mit. Ich muss dir was zeigen.«
    Sie gingen in ihr Büro, Kajsa voran. Von der Schwelle aus gesehen war das Bild noch deutlicher. Unvollständig zwar, das sah sie jetzt, aber deutlicher. Kein Zweifel, es gab keinerlei Zweifel. Sie war nicht sicher, ob Ove es auf den ersten Blick erkannte.
    »Ich beschäftige mich mit den Überfällen auf die Einwanderer, die Läden und Pizzerien.«
    »Ja, eine widerliche Geschichte.«
    »Ich hab die Tatorte auf dem Stadtplan markiert, guck mal.«
    Sie ging zur Wand und hob den Arm.
    »Hier draußen in Bergsjön, dann runter nach Sävedalen, weiter nach Süden, dann nach Biskopsgården. Siehst du meine Linie, oder die Linien?«
    »Du stehst davor, geh mal beiseite.«
    Sie stellte sich neben den Stadtplan, Boursé trat zwei Schritte zurück, dann wieder einen vor.
    »Himmel.«
    »Ja.«
    »Du lieber Gott!«
    Quer über Göteborg lag ein Hakenkreuz aus roten Stecknadelköpfen. Man brauchte keine Phantasie, um das zu erkennen. Kajsa Lagergren stellte sich neben Ove Boursé.
    »Du siehst es also auch.«
    »Natürlich sehe ich es.«
    »Es ist noch nicht fertig.«
    »Nein.«
    »Aber du bist ganz sicher.«
    »Ja, bei Gott. Kajsa, das ist gut. Ich meine, was du getan hast, ist gut.«
    »Es ist unglaublich.«
    »Oberhalb des Flusses ist es schon fertig – gezeichnet, oder wie zum Teufel man das nennen soll. Und da, im Südosten auch.«
    »Nur im Westen ist es noch nicht fertig.«
    »Es muss so sein. Das wären zu viele Zufälle.«
    »Ja, zu viele Zufälle.«
    Boursé strich sich über den Schnurrbart. Sie sah, dass er mehr Erregung zeigte als je zuvor.
    »Das ist faszinierend in seiner Scheußlichkeit. Man braucht viele Orte, um ein Hakenkreuz zu schaffen. Es ist nicht zu fassen, ein großes Hakenkreuz über ganz Göteborg. Sind wir wirklich auf dem Weg dahin?«
    »Wir sind schon dort.«
    »Ich meine … unterm Kreuz sozusagen.«
    »Das meine ich auch.«
    »Jetzt gehst du vielleicht ein bisschen zu weit. Aber die Sache ist wahrhaftig ernst.«
    »Ove, wo sind denn all die Zeugen dieser scheußlichen Verbrechen an Ausländern? Wo sind all die Mitbürger, die gesehen haben, was passiert ist?«
    »Es gibt keine.«
    »Nein, genau das ist es.«
    »Aber deswegen sind die Leute noch lange keine Faschisten.«
    Kajsa Lagergren verzichtete auf einen Kommentar. Sie folgte den Linien auf der Karte mit den Augen: hinauf, hinunter, nach vorn, zurück. Ove Boursé trat näher an die Wand und fuhr mit dem Finger über die Stecknadelköpfe.
    »Wenn dies ein Muster ist, was es mit allergrößter Wahrscheinlichkeit ist, dann wissen wir ungefähr, was passieren wird. Oder wo es passieren wird.«
    »So weit habe ich auch schon gedacht.«
    »Das gibt uns eine Chance, dem Ganzen ein Ende zu bereiten.«
    Sie antwortete nicht, sagte nicht, was sie dachte.
     
    Sie saßen in Ards Büro, Boursé klopfte sich rhythmisch im Takt zu den Regentropfen an der Fensterscheibe auf die Schenkel, tap, tap, tap, tap.
    »Ist dir schon mal aufgefallen, dass die Niederschläge zu einer Selbstverständlichkeit geworden sind?« Er zeigte auf die beschlagenen Scheiben. »Als ob es nie mehr aufhören würde.«
    »Klar hört das wieder auf. Du vergisst schnell.«
    »Du meinst den letzten Sommer? Die Hitze? Das war once in a lifetime. «
    »Ich bin schon so lange dabei, dass ich mindestens fünf solcher Sommer aufzählen könnte.«
    »Du lügst.«
    »So?«
    »So warm wie im letzten Sommer ist es noch nie gewesen und wird es auch nie wieder.«
    »Wenn du es sagst.«
    »Die tropische Wärme war eine bestätigende Ausnahme von meiner Theorie.«
    »Und jetzt möchtest du, dass ich dich frage, wie diese Theorie lautet.«
    Boursé hob einen Finger zur schmutzig gelben Decke.
    »Die lautet so: Es ist unmöglich, beides zu haben, einen guten Lebensstandard und gutes Wetter. In der nördlichen Welt haben wir einen guten Lebensstandard. Im Süden haben sie gutes Wetter.«
    »Etwas schlicht gestrickt für eine Theorie.«
    »Ich bin ein schlichter Mensch.«
    Sten Ard lächelte, zum ersten Mal seit langem. Er hatte einen Grund: Die Starre

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