Geheimauftrag Phantom
die Geister der beim Bau umgekommenen Arbeiter in der Röhre spuken sollten.
Gerüchte, mehr nicht.
Ich folgte meinem Vordermann, einem Lastwagen, der ziemlich langsam fuhr. Überholen war trotzdem nicht drin. Hätte ich es versucht, wäre ich in die heranhuschenden Lichter des Gegenverkehrs hineingerast, denn nur zwei Fahrbahnen durchzogen den Tunnel.
Ich schielte nach rechts durch das Seitenfenster des Leihwagens, erkannte die Lichtflecken der Lampen oder die Signale der SOSLeuchten. In bestimmten Abständen waren Nischen gebaut worden, wo Fahrzeuge abgestellt werden konnten, die eine Panne gehabt hatten. Ich fuhr weiter. Im Schatten des Lastwagens, der mir seine giftigen Auspuffgase entgegenstieß.
Kilometer drei!
Ich sah die Markierung, ich erinnerte mich wieder und lauerte darauf, daß etwas geschah.
Es passierte nichts. Wir rollten weiter mit Tempo 60. Der LKW vor mir blies mir weiterhin seine schmutzigen Abgase entgegen, das war alles. Keine Geister, keine Zombies, kein Durchdrehen der Fahrer, der Tunnel hatte seine Schrecken nicht gezeigt. Glatt und sicher kam ich weiter. Siebzehn Kilometer. Eigentlich eine Kleinigkeit, ein Klacks, eine Strecke, über die man kein Aufsehen macht, über die man nicht einmal redet. Anders im Tunnel.
Da wurden die Kilometer lang, und die Luft verschlechterte sich spürbar. Die Klarheit verschwand, die roten Augen der Heckleuchten vor mir wirkten verwaschen, wie im Nebel.
Die Sicht wurde noch schlechter.
Dumpfe, schwere Schatten füllten die enge Röhre aus, durch die Fahrzeuge auf beiden Fahrbahnen rollten. Ihre eingeschalteten Scheinwerfer sahen aus wie stumpfe Augen.
Ich hatte das Gebläse abgeschaltet, weil ich nicht den Auspuffqualm im Wagen haben wollte. Die Temperatur stieg. Ich geriet ins Schwitzen. Einige Male schimpfte ich leise vor mich hin.
Dann kurbelte ich das Fenster nach unten. Frische Luft drang nicht in den Wagen, dafür etwas kältere, was für den Moment angenehm war. Ich dachte auch nicht mehr an den Tunnel und an die Fahrerei, sondern erinnerte mich daran, weshalb ich überhaupt in dieser Röhre steckte und nicht in London hockte.
Es war ein Wunsch meines Chefs, Sir James Powell, gewesen. Er hatte mich vor kurzem in sein Büro geholt und mich so harmlos angesehen, wie ich es schon von anderen Fällen her kannte. Er wußte nie so recht, wie er ein Gespräch beginnen sollte. Auch in meinem Fall hatte er wieder so harmlos angefangen.
»Sie mögen doch die Schweiz, John, nicht?«
»Natürlich.«
»Dann holen Sie dieses Mädchen aus einem Internat in Ascona, direkt am Lago Maggiore.« Ich bekam das Bild eines wunderschönen Mädchens gereicht. Die Kleine mochte um die Zwanzig sein und hieß Angel, also Engel.
»Was hat sie getan?« fragte ich.
Sir James ließ sich Zeit mit der Antwort und druckste ein wenig herum.
»Sie nichts, doch ihr Vater ist ein hohes Tier in unserer Regierung. Er fürchtet uin das Leben seiner Tochter. Genauer gesagt, er hat Angst vor einem Attentat. Er will den besten Schutz für seine Tochter. Sie können bis Zürich fliegen, sich dort einen Leihwagen nehmen, na ja, den Rest der Strecke genießen Sie als Urlaub.«
»Wie schön, Sir James. Nur eben nicht glaubwürdig. Ist sonst noch etwas vorgefallen?«
»Wie meinen Sie?«
»Mit Angel.«
»Nein, John, nicht mit ihr. Eine Mitschülerin wurde ermordet. Die Mädchen in der Schule haben Angst. Ihnen sitzt der Alp im Nacken. Sie fürchten, daß der Killer wieder zuschlagen könnte.«
Ich hob die Schultern. »Was sagt die Polizei?«
»Die ist machtlos, wie ich weiß. Sie können sich selbst erkundigen. Es gibt da einen Kollegen von ihnen, einen gewissen Leutnant Tenero. Er kann Ihnen mehr sagen.«
»Auch über den Mörder, Sir?«
»Nein. Sie haben dem Killer jedoch einen Namen gegeben. Er ist das Phantom. Er taucht auf, mordet und verschwindet, und er hinterläßt keine Spuren.«
»Dann soll ich nicht nur dieses Mädchen heil nach London bringen, sondern auch ein Mord-Phantom fangen?«
»Das wäre optimal.« Über den Schreibtisch hinweg hatte er mir die Hand gereicht. »Ich verlasse mich auf Sie, John.«
»Danke für das Vertrauen, Sir.«
Ein heller Streifen erschien an den Wänden. Nicht verursacht durch Scheinwerfer, es war die Helligkeit des Ausgangs, die mir Sekunden später entgegenflutete. Auch verbreiterten sich die Fahrbahnen. Endlich, der Tunnel lag hinter mir.
Ich setzte die Sonnenbrille auf, öffnete wieder das Fenster und ließ die herrliche Luft des
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