Geheimcode Makaze
und drückte ihn mit dem Rücken von dem Block weg, an den seine linke Hand gekettet war. Beklommen stellte sie fest, dass sein sonst so widerstandsfähiger Körper erschlafft war und sich mühelos zur Seite schieben ließ.
Dann stellte sie sich neben das Ankergewicht, trat einen Schritt vor und warf sich mitsamt dem Betonbrocken gegen den Eisenring. Einen Moment lang schwebte Summer wie in Zeitlupe durch das Wasser, bevor die Schwerkraft Wirkung zeigte. Aber ihr Timing war perfekt. Kurz bevor sie nach unten gezogen wurde, traf der Betonbrocken mit einem leisen, vom Wasser gedämpften Scheppern auf den Ring. Das rostige, bereits angesägte Eisen gab unter der Wucht des Schlages nach und barst.
Sofort ergriff Summer den Arm ihres Bruders und tastete nach dem jetzt freien Handgelenk. Dann stieß sie Dirk nach oben, holte selbst kurz Luft, schleppte seinen schlaffen Leib zu einem schmalen Felssims und zog ihn aus dem Wasser. Sie kniete sich neben ihn und wollte zu einer Herzmassage ansetzen, als er sich plötzlich regte und den Kopf zur Seite drehte. Stöhnend spie er einen Schwall Wasser aus und schnappte nach Luft. Mühsam stützte er sich auf die Ellbogen, wandte sich an Summer und japste: »Ich komme mir vor, als hätte ich den halben Fluss gesoffen. Erinner mich das nächste Mal dran, dass ich bei Mineralwasser bleiben sollte.«
Kaum hatte er die Worte hervorgebracht, beugte er sich vornüber und würgte ein zweites Mal, setzte sich dann auf und rieb sein linkes Handgelenk. Dann musterte er seine Schwester und stellte zufrieden fest, dass sie offenbar unverletzt und guter Dinge war.
»Danke, dass du mich rausgezogen hast«, sagte er. »Wie hast du den Ring losgekriegt?«
»Ich habe einen Betonbrocken gefunden und ihn dagegen geschmettert. Glücklicherweise habe ich dir dabei die Hand nicht abgeschlagen.«
»Dafür bin ich sehr verbunden«, grummelte er kopfschüttelnd.
Nachdem sie halbwegs wieder bei Puste waren, ruhten sie sich fast eine Stunde lang aus, bis sie langsam wieder zu Kräften kamen und Dirk das letzte Wasser herausgewürgt hatte, das er in den letzten Sekunden geschluckt hatte, bevor Summer den Eisenring zerschlug. Das wenige Licht war längst verschwunden, nachdem die Dämmerung angebrochen war, sodass sie jetzt fast in völliger Dunkelheit lagen.
»Weißt du, wo es hier rausgeht?«, fragte Dirk, sobald er das Gefühl hatte, sich wieder bewegen zu können.
»Der Eingang zur Höhle ist knapp fünfzig Meter entfernt«, sagte Summer. »Ein Stück weiter östlich ist Kangs Bootsanleger.«
»Wie sind wir überhaupt hierher gekommen?«, fragte er.
»In einem kleinen Ruderboot. Ich habe ganz vergessen, dass du die Kahnpartie verschlafen hast.«
»Schade, dass ich sie verpasst habe«, erwiderte Dirk und betastete die Platzwunde an seinem Schädel. »Wir müssen uns ein Boot von Kang borgen, wenn wir von hier weg wollen. Als wir hergekommen sind, war ein kleines Rennboot hinter seinem schwimmenden Palast vertäut. Vielleicht ist es noch da.«
»Wenn wir es unbemerkt losbinden und raus in die Lagune treiben lassen können, bevor wir den Motor starten, verschaffen wir uns einen kleinen Vorsprung.« Summer, die zu lange im kalten Wasser gewesen war, zitterte mit einem Mal.
»Wir müssen wieder schwimmen, fürchte ich. Du kennst den Weg nach draußen, also übernimmst du die Führung«, sagte Dirk.
Summer riss die Seitennaht des Seidenkleides auf, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben, und glitt dann wieder in das kühle, trübe Wasser. Dirk hielt sich hinter ihr, als sie sich schwimmend durch die schmale, gewundene Höhle vortastete und auf den hellgrauen Lichtfleck zuhielt, der sich schwach in der Dunkelheit abzeichnete. Kurz vor dem Höhleneingang hielten sie inne, als sie in der Ferne Stimmengemurmel hörten. Hinter einer engen Biegung sahen sie durch die ovale Öffnung den Sternenhimmel und die gleißenden Lichter der Strahler von Kangs Anlegesteg, die sich auf dem Wasser spiegelten. Lautlos schwammen Dirk und Summer aus der Höhle und zu ein paar kleinen Felsen, die wenige Meter entfernt aufragten. Die glitschigen, mit Algen überzogenen Felsblöcke boten ihnen die nötige Deckung, von der aus sie den Bootsanleger und das umliegende Gelände einsehen konnten.
Mehrere Minuten lang hingen sie schweigend an den Felsen, suchten den Ufersaum ab und musterten die drei Boote, die an dem Steg vertäut waren. Das kleine, grüne Rennboot lag zwischen Kangs großer italienischer Luxusyacht und dem
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