Geheimcode Makaze
Dunkelheit gestürmt. Nach einem kurzen, hitzigen Wortwechsel zückten sie ihre Taschenlampen, richteten die Lichtkegel auf die Felsen, ließen sie übers Wasser und den Himmel schweifen und hielten hektisch Ausschau nach dem fehlenden Skiff. Der Wachposten am Heck von Kangs Yacht aber war es schließlich, der die beiden Flüchtigen entdeckte. Er suchte mit einem starken Bordscheinwerfer das Wasser ab und erfasste das kleine weiße Boot.
»Die Festbeleuchtung hat uns grade noch gefehlt«, fluchte Summer, als die Strahlen des Suchscheinwerfers auf sie fielen. Im nächsten Moment hallte das Rattern eines Sturmgewehr übers Wasser, begleitet von einem Kugelhagel, der harmlos über ihre Köpfe hinwegpfiff.
»Leg dich auf den Boden«, befahl Dirk seiner Schwester und stemmte sich noch stärker in die Ruder. »Aus der Entfernung können sie nicht genau zielen, aber einen Glückstreffer könnten sie trotzdem landen.«
Das kleine Ruderboot befand sich jetzt mitten in der Lagune, wo Dirk und Summer für einen Schützen im Rennboot, das sie binnen weniger Sekunden einholen konnte, wie auf dem Präsentierteller saßen. Dirk konnte nur hoffen, dass niemand auf die Heckleine achtete, wenn sie die Verfolgung aufnahmen.
Unterdessen war einer der Wachmänner bereits in das grüne Rennboot gesprungen und hatte den Motor angelassen. Tongju, der von den Schüssen wach geworden war, stürmte aus der Kabine des Katamarans und herrschte einen der Posten an.
»Nehmt das Rennboot. Tötet sie, wenn es sein muss«, zischte er.
Einer der beiden anderen Wachmänner warf die Bugleine los und sprang mit seinem Kollegen ins Boot. Vor lauter Eile bemerkte keiner, dass die Heckleine neben dem Außenbordmotor ins Wasser hing. Der Rudergänger sah nur, dass das Boot nicht mehr vertäut war, steuerte vom Anlegesteg weg und schob dann den Gashebel bis zum Anschlag nach vorn.
Das grüne Boot schoss los, blieb aber im nächsten Moment liegen. Der hoch drehende Motor heulte fortgesetzt, doch das Boot trieb nur mehr träge dahin. Der verdutzte Rudergänger, der keine Ahnung hatte, weshalb er nicht mehr von der Stelle kam, nahm das Gas zurück.
»Idiot!«, schrie Tongju, der sich zu einem ungewöhnlichen Gefühlsausbruch hinreißen ließ, vom Deck des Katamarans aus.
»Die Heckleine hat sich in der Schraube verheddert. Jemand muss aussteigen und sie kappen.«
Dirks Knotentrick – als er unter das Boot getaucht war, hatte er die Leine um die Schraubenwelle geschlungen – hatte sich gelohnt. Und weil der Rudergänger sofort Vollgas gab, hatte sie sich im Nu festgezurrt und heillos verheddert. Selbst ein Taucher hätte mindestens zwanzig Minuten gebraucht, um das Tau zu kappen und aus der Antriebswelle zu lösen.
Als Tongju klar wurde, dass das Rennboot festsaß, stürmte er in die Steuermannskabine des Katamarans.
»Werfen Sie die Maschinen an! Wir müssen sofort los«, brüllte er ihn an.
Der verschlafene Steuermann, der einen roten Seidenpyjama trug, nickte kurz und knapp und begab sich umgehend ins Ruderhaus.
Nach einer Dreiviertelmeile, gut zwölfhundert Metern, ächzte Dirk zum ersten Mal auf, als er die Ruder durchzog. Sein Herz hämmerte wie wild, Schultern und Arme brannten vom ständigen Pullen, selbst seine Oberschenkel schmerzten. Sein Körper machte allmählich schlapp, aber er zwang sich dazu, mit aller Kraft weiterzurudern. Ein paar Minuten hatten sie durch das Lahmlegen des Rennboots gewonnen, aber Kangs Männern standen noch zwei weitere Boote zur Verfügung.
In der Ferne hörten sie ein tiefes, dumpfes Grollen, als die Maschinen des Katamarans angelassen und auf Touren gebracht wurden. Während Dirk stetig die Ruder durchzog, lotste Summer ihn in die Einfahrt des Kanals am anderen Ende der Lagune. Kangs Anwesen und der Bootsanleger verschwanden plötzlich, als sie um die erste der zahlreichen Biegungen kamen.
»Wir haben noch etwa fünf Minuten«, stieß er aus. »Bist du bereit zur nächsten Badetour?«
»Mit den Dingern kann ich zwar nicht wie Esther Willliams durchs Wasser gleiten«, sagte sie und hob die Arme, an denen noch immer die Handschellen hingen. »Aber Kangs Gastfreundschaft will ich mir mit Sicherheit nicht noch mal antun.«
Dirk brauchte sie gar nicht erst zu fragen, ob er noch die Kraft zum Schwimmen hatte. Ihr Bruder war wie ein Fisch im Wasser, auch wenn er noch so erschöpft sein mochte. Immerhin waren sie in Hawaii aufgewachsen, wo sie von klein auf ständig in der Brandung herumgetollt waren. Außerdem
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