Geheimcode Makaze
Luft schnappte, musste er sich höher recken, um Mund und Nase über Wasser zu halten. Die linke Handschelle schnitt in sein Fleisch, als er unwillkürlich daran riss und zerrte, um von dem schweren Betonblock freizukommen.
»Schone deine Kraft, damit wenigstens du hier rauskommst«, sagte er zu seiner Schwester, als ihm klar wurde, dass sie nicht mehr viel Zeit hatten. Summer nahm ihm nur wortlos die Feile ab und tauchte unter. Dirk ließ sich mit zurückgelegtem Kopf treiben, konnte aber kaum das Gesicht über Wasser halten, um ein paar tiefe Atemzüge zu nehmen. Dann tauchte er erneut, packte Summers Unterarm, nahm ihr die Feile ab und sägte wie wild am Eisen herum. Zwischendurch tastete er mit dem Daumen die Kerbe ab und stellte fest, dass sie bislang allenfalls ein Drittel des Ringes durchgefeilt hatten. Es war nicht mehr zu schaffen.
Dirk kamen die Sekunden wie Stunden vor, als er sich ein letztes Mal loszureißen versuchte. Sein Herz hämmerte wie eine Basstrommel, während es mühsam Sauerstoff in sein Blut pumpte. Dann bemerkte er trotz des schummrigen Lichts, dass Summer nicht mehr bei ihm war. Vielleicht hatte sie endlich auf ihn gehört und versuchte sich zu retten. Oder sie konnte es nicht ertragen, bei ihm zu sein, wenn er sein Leben aushauchte.
Er setzte die Feile kurz ab und warf sich mit seinem ganzen Körpergewicht gegen den Ring. Aber er brachte nicht genügend Hebelkraft zustande. Wieder machte er sich mit der Feile ans Werk und sägte mit dem schmalen Blatt am Eisen herum. Mittlerweile dröhnten seine Ohren bei jedem Herzschlag. Wie lange hielt er schon den Atem an? Eine Minute, zwei Minuten? Er wusste es nicht mehr.
Allmählich wurde ihm schwindlig, und er hatte rote Ringe vor den Augen. Er stieß die letzte Luft aus, die er noch in der Lunge hatte, und konnte nur mühsam der Versuchung widerstehen, den Mund aufzumachen und zu schlucken. Sein Herz hämmerte immer heftiger, und er musste seine ganze Willenskraft aufbieten, um nicht in Panik zu verfallen. Eine leichte Strömung schien ihn von dem Ring wegzuziehen, aber seine Hand hielt die Feile mit eiserner Kraft fest. Dann legte sich ein weißer Schleier über seine Augen, und eine Stimme tief in ihm sagte ihm, er solle sich seinem Schicksal überlassen. Als er seinen letzten Kampf gegen das leise Raunen ausfocht, meinte er einen dumpfen Schlag wahrzunehmen, dann lief ein sonderbares Beben durch seinen Arm und den ganzen Körper, und im nächsten Moment sank er in ein dunkles Loch.
35
Summer wusste, dass sie noch mindestens zwanzig Minuten brauchten, um den Eisenring durchzufeilen. Folglich musste sie sich etwas anderes einfallen lassen, um ihren Bruder zu befreien. Sie ließ Dirk allein, tauchte zum Höhlenboden hinab und suchte nach einem anderen Werkzeug, irgendetwas, mit dem sich die Fesseln sprengen ließen. Aber am flachen, sandigen Grund fand sie nichts als eine Reihe von Ankergewichten, eines hinter dem anderen. Als sie sich an den Blöcken entlang vorantastete, stieß sie auf ein Stück Beton, das abgebrochen war, als zwei Gewichte zu dicht nebeneinander abgesetzt worden waren. Sie glitt über die Trümmer hinweg, bis sie zum letzten Block kam, wo etwas Flaches, Glitschiges, das sich wie aufgeweichtes Leder anfühlte, unter ihrer Hand zerbröselte. Darunter befand sich ein hartes Stück, das schmal und geschwungen war – offenbar eine Stiefelsohle. Ein Stock lehnte daran, den sie zunächst ergreifen wollte, dann aber entsetzt losließ. Es war kein Stock, wie sie jetzt feststellte, sondern ein menschliches Schienbein, das noch immer im Stiefel steckte. Allem Anschein nach handelte es sich um ein weiteres Opfer von Kang, dessen Skelett noch immer an den Anker gekettet war. Sie fuhr zurück und wollte wieder zu Dirk schwimmen, als sie mit dem Kopf an den abgebrochenen Betonbrocken stieß. Es war nahezu viereckig und wog etwa vierzig Kilo. Sie betrachtete ihn, umfasste ihn mit den Händen, dann zögerte sie. Das könnte die Lösung sein, dachte sie. Jedenfalls fiel ihr im Moment nichts Besseres ein.
Sie kam kurz nach oben und holte Luft, tauchte dann wieder hinab und wuchtete den Betonbrocken hoch. Auf trockenem Boden hätte sie ihn nur mit Mühe heben können, aber unter Wasser war er leichter. Sie drückte ihn an ihre Brust, versuchte ihn halbwegs im Gleichgewicht zu halten und schleppte ihn so schnell wie möglich an der Reihe der Ankergewichte entlang zu ihrem Bruder. Sie ertastete Dirk eher, als dass sie ihn sah, drehte sich um
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